Zeit mit der Familie, Geschenke unter dem Baum - zu Weihnachten geht es vielen Menschen darum, den Liebsten und anderen etwas Gutes zu tun. Die neu berufene Professorin für Medizinische Psychologie, Psychosomatik und Psychotherapie an der Medizinischen Universität Graz, Jolana Wagner-Skacel spricht darüber, warum sich Menschen eigentlich so gerne beschenken. Dies habe vor allem damit zu tun, dass der Mensch ein soziales Wesen sei, so die Expertin. Emotionale Bindungen werden benötigt, um die psychische und damit physische Gesundheit aufrechtzuerhalten.

„Wir sind von Geburt an auf andere angewiesen. Nähe, Fürsorge und Zuneigung fördern die Entwicklung emotionaler, mentaler und sozialer Fertigkeiten“, erklärt Wagner-Skacel. Aus diesem Grund habe sich das Schenken zu besonderen Anlässen wie Geburtstagen und Weihnachten auch in Kulturkreisen auf der ganzen Welt etabliert. Das Schenken als gesellschaftliches Ritual spielt gleich in mehrfacher Hinsicht mit den Regeln und Erwartungen im sozialen Umfeld. Man kann den Akt des Schenkens in drei Teile aufsplitten, in denen verschiedene Aspekte des Verhältnisses zueinander im Fokus stehen.

Jolana Wagner-Skacel
Jolana Wagner-Skacel © Sissi Furgler Fotografie

Das Geschenk in Phasen

Um das richtige Geschenk zu finden, müssen sich Menschen vorab erst einmal mit der zu beschenkenden Person auseinandersetzen. Wo liegen die Interessen, welche gemeinsamen Erlebnisse hat man geteilt? Das Geschenk formt ein „Bild“ der Person, die das Geschenk erhält, und der Beziehung der Menschen zueinander.

Auch das Schenken selbst ist mit emotionaler Entwicklung verknüpft. Gemeinsam wird ein Moment erlebt, der im besten Fall das Band zwischen beiden Personen verstärkt oder bestätigt. Dabei gehe es allerdings gar nicht darum, etwas im Gegenzug zu erwarten: „Der Akt des Schenkens selbst macht die Besonderheit des Gebens aus, ohne dafür Gegenleistungen zu erwarten. Das Geschenk gewinnt an Wert, da es die beschenkten Personen in besonderem Maße bewegt“, erklärt Wagner-Skacel den Prozess des Schenkens.

Die letzte Phase ist die Dankbarkeit. Die beschenkte Person kann offen zeigen, wie viel ihr das Geschenk wert ist und sich in der Beziehung wohlfühlen. „Grundvoraussetzung ist die Fähigkeit, Danke zu sagen. Um dies zu erleben, braucht es unser gestalterisches Zutun. Wir müssen uns auf diese Grundstimmung aktiv einlassen“, beschreibt Wagner-Skacel den Wert der Dankbarkeit.

Der Wert des Geschenks

Vor allem zur Weihnachtszeit, wenn Schenken einen großen Stellenwert einnimmt, ist es wichtig zu betonen, dass Geschenke keinen materiellen Wert haben müssen. Zeit miteinander zu verbringen, ist für viele Familien bereits das größte Geschenk. Nicht nur der Akt des Schenkens, sondern auch die Art und Weise des Sich-beschenken-Lassens und des Teilhaben-Lassens an den Freuden über das Beschenkt-Werden bedingen das Phänomen des Schenkens.