Schon als Verena Geier noch gar nicht an ein eigenes Kind dachte, hörte sie von Fremden immer wieder die Frage: „Mei, wann ist es denn so weit?“ Auf den ersten Blick sah die Oststeirerin damals sehr schwanger aus – in Wahrheit wuchs in ihrem Bauch aber kein Baby, sondern ihre Leber wurde immer größer. 17,5 Kilo wog das Organ am Ende – und wenn Verena Geier heute Fotos von damals anschaut, kann sie selbst nicht glauben, dass sie mit so einem riesigen Bauch den Alltag meistern konnte. Stiegensteigen, die Schuhbänder zubinden, selbst Autofahren waren mit dem enormen Bauchumfang kaum noch möglich. Eine sogenannte Zystenleber war der Auslöser: Immer mehr Zysten durchsetzten das Organ und ließen es auf diese massive Größe anwachsen – ein Ausmaß, das selbst Geiers erfahrene Ärzte am LKH-Uniklinikum Graz noch nie gesehen hatten.
Die Erkrankung, die genetisch bedingt ist, ist zwar gutartig – aber die einzige Heilung bestand in einer Lebertransplantation. Und vor dieser hatte Verena Geier lange Zeit große Angst. „Damals kannte ich niemanden, der transplantiert ist. Ich dachte: Was, wenn es mir nach der Operation schlechter geht als davor – das lässt sich ja nicht rückgängig machen.“ Der eindringliche Rat ihrer Ärzte führte schließlich dazu, dass sich Geier doch auf die Transplantationsliste setzen ließ – und noch ein weiterer Grund spielte mit.
„Mit so einer großen Leber können sie nicht schwanger werden.“ Auch diesen Satz hörte die junge Frau von ihrer Ärztin, der Transplantationsspezialistin Daniela Kniepeiss von der Klinischen Abteilung für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie am LKH-Uniklinikum Graz. Und das gab ihr zu denken, hatte sie doch gerade erst ihren heutigen Lebenspartner Markus Reithofer kennengelernt. Am 23. August 2018 war es schließlich so weit: Verena Geier bekam eine neue Leber – und verlor bei der Operation insgesamt 40 Kilo, da sich in ihrem Bauch auch so viel Wasser angesammelt hatte.
Der Weg zurück in ein normales Leben war zunächst holprig, musste sich Geiers Organismus erst auf den plötzlichen Gewichtsverlust einstellen. Doch bald zeigte sich: Die neue Leber funktioniert, ihr Körper stößt das Organ nicht ab, ihre Blutwerte normalisierten sich. „Ich konnte endlich wieder ein normales Leiberl anziehen, nicht in Übergröße“, erinnert sich Geier. Auch wenn die neue Leber mittlerweile ihre Leber ist, setzt die 39-Jährige noch jedes Jahr ein Zeichen der Dankbarkeit: „Am Lebergeburtstag am 23. August zünde ich in der Kirche eine Kerze für die oder den Verstorbenen an. Denn an dem Tag, an dem wir uns freuen, trauert eine andere Familie.“
Nun wuchs ein Baby im Bauch
Im Jahr 2021 schließlich wurde auch der Kinderwunsch ein Thema für das junge Paar. „Reden wir einmal mit Graz“, sagte sich Verena Geier damals, denn sie wusste: Will sie schwanger werden, braucht es dafür ein paar medizinische Vorbereitungen. So kam sie an die sogenannte Risiko-Ambulanz der LKH-Uniklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, genauer zu Ärztin Martina Kollmann. „Prinzipiell spricht nichts gegen eine Schwangerschaft nach einer Transplantation“, sagt Kollmann – aber bestimmte Medikamente gegen Abstoßungsreaktionen müssen vorab umgestellt werden, der Blutdruck und andere Risikofaktoren werden genau beobachtet. Und Anfang 2022 passierte es: Verena Geier wurde schwanger und erlebte eine „Bilderbuchschwangerschaft“.
Nun wurde Verena Geiers Bauch wieder größer – aber es fühlte sich ganz anders an: „Diesmal wuchs ein Baby in meinem Bauch und das wollten wir ja“, erzählt sie und streichelt die Hand ihrer Tochter Sophie. Am 24. Oktober 2022 kam das Wunschkind zur Welt, an diesem 24. Dezember wird Sophie, die mit großen Augen in die Kamera des Fotografen strahlt, 14 Monate alt. „Ich überblicke schon 25 Jahre Transplantationsmedizin Graz, aber ich kenne nur zwei andere lebertransplantierte Frauen, die schwanger geworden sind“, sagt Ärztin Kniepeiss.
Die kleine Sophie, die auf Papas Schoß vor sich hinbrabbelt, hatte eine 50-prozentige Chance, die Krankheit, die die Leber ihrer Mama anwachsen ließ, zu erben. Gleich nach ihrer Geburt ließen die Eltern das Nabelschnurblut ihrer Tochter testen – und es zeigte sich: Sophie hat die Erkrankung nicht geerbt, sie ist kerngesund.