Truppenbesuche in der Vorweihnachtszeit haben etwas Rituelles. Es gibt Geschenke (Schinken, Speck und Brot), eine Adventfeier, viele Worte des Dankes. Verteidigungsministerin Klaudia Tanner lobt im Camp Film City in Pristina den Einsatz der rot-weiß-roten Truppe „in diesen sicherheitspolitischen sehr herausfordernden Zeiten“. 260 Soldaten und 15 Soldatinnen des Bundesheeres verstärken derzeit die rund 4500 Personen starke Nato-Mission KFOR im Kosovo. Noch. Denn die bevorstehende Verkleinerung des Österreicher-Kontingents ist eines der Themen, mit denen Tanner auf ihrer Balkanreise mehrmals konfrontiert wird.
Der Zeitpunkt des Teilabzugs stellt auch für Kontingentskommandant Oberst Markus Mautz eine etwas „unglückliche Optik“ dar. Nach zwölf Jahren relativer Ruhe flammte der Konflikt zwischen der serbischen Minderheit im Norden und der albanischen Mehrheitsbevölkerung bzw. der Kosovo-Police ausgerechnet 2023 wieder gefährlich auf. Bei Unruhen im Dorf Svecan im Mai wurden rund 70 ungarische und italienische KFOR-Soldaten teils schwer verletzt. Die 90-köpfige Infanteriekompanie des Bundesheeres war an jenem Tag im Nachbardorf eingesetzt - und entkam dadurch der Gewalteskalation nur zufällig. Nachdem im September ein Kosovo-Polizist bei einem Schusswechsel getötet worden war und Serbien unweit zum Kosovo Truppen mobilisierte, sahen viele die Zeichen sogar schon auf einen neuerlichen Krieg stehen.
Oberst Mautz beruhigt: Aus seiner Warte gibt es derzeit „keine Indikatoren auf eine Aggression aus Serbien heraus“. Wohl aber gebe es Konfliktpotenzial rund um die bevorstehenden Parlamentswahlen in Serbien und den schon länger schwelenden Streit um Kfz-Kennzeichen. „Im Süden und im Mittelkosovo ist es ruhig, der Norden ist fragil. Da braucht es nicht viel, damit es eskaliert“, beurteilt der aus Kärnten stammende Generalstabsoffizier die Lage in der jungen Republik.
Wie geht es aber nun mit der rot-weiß-roten KFOR-Truppe weiter? Bis zur nächsten Rotation im April ziehen die bei Pecs im Westen stationierte Infanteriekompanie und die im Camp Novo Selo nördlich von Pristina ansässige Transportkompanie von der Mission ab, insgesamt geht es dabei um rund 130 österreichische Soldaten. Von einer Reduktion will man im Verteidigungsministerium aber nicht sprechen, denn ein Teil der Truppe bleibe als operative Reserve für den Westbalkan in Bereitschaft und könne binnen 48 Stunden in den Einsatz geschickt werden. Außerdem gehe es nicht nur um Quantität, sagt Tanner: „KFOR befindet sich in einem Wandel.“ Die Mission setze stärker auf ein akkurates Lagebild, um präsent zu sein, bevor es kracht. Dazu trage das Bundesheer mit seiner zuletzt technisch aufgerüsteten Aufklärungskompanie weiterhin federführend bei. Auch die Militärpolizei bei KFOR steht unter österreichischer Führung, die Kampfmittelbeseitigung - Waffen und Munition aus mehreren Kriegen sind im Kosovo noch weit verbreitet - ist ein Gemeinschaftsauftrag mit der Schweizer Armee.
Weniger Sorgen
Eine kleinere Truppe bedeutet für deren Kommandanten nicht unbedingt weniger Stellenwert bei KFOR, dafür weniger Sorgenfalten. „Unsere Transportkompanie legt derzeit am Tag rund 600 Kilometer zurück, da kann viel passieren, worauf man keinen Einfluss hat“, sagt Mautz. Auch die Personalsorgen dürften wohl kleiner werden. Das Kontingent ist zu drei Viertel befüllt. Das heißt: Von den 363 KFOR-Soldaten auf dem Papier sind tatsächlich nur 275 da. Mit dem Personalmangel kämpft das Bundesheer schon seit Jahren. Jetzt spitzt er sich weiter zu.
Denn das Rückgrat der Auslandseinsätze bilden Milizsoldaten wie der 57-jährige Walter Weingrill. Der Stabswachtmeister aus Deutschfeistritz bezeichnet sich als „Berufsauslandsgeher“. Nur wenige Monate im Jahr verbringt Weingrill in Österreich, KFOR ist für den ehemaligen Industriemonteur „ein ganz normaler Arbeitsplatz.“ Viele seiner Kameraden, vor allem Milizangehörige, sind in seinem Alter. Klar, da stehe man mitten im Leben, habe die Familienverhältnisse geregelt, sagt der Steirer. Was aber auch nicht zu übersehen sei: „Die Miliz dürrt aus.“
Wachtmeister Johannes Melcher aus Villach haben eher pragmatische Gründe in seinen ersten Auslandseinsatz geführt. „Ich brauche ihn, damit ich als Berufssoldat eine Definitivstellung erhalte“, sagt der 25-Jährige, der als Fernmelder bei KFOR arbeitet. Auch der gute Verdienst war ein Anreiz, Melcher hat kürzlich ein Haus gekauft. „Ich bin motiviert hierhergekommen, bin jetzt fast noch motivierter“, lacht er. Seine Aufgabe im Kosovo empfindet der Kärntner spannender als im heimatlichen Verband, vieles hänge aber von der Gemeinschaft in der Truppe ab. Und diese sei in diesem Kontingent besonders ausgeprägt.
Manchmal fliegt dem Bundesheer auch das Glück einfach zu, wie in Person von Bianca Hagendorfer aus St. Anna am Aigen. Die Steirerin war als klinische Psychologin in der Justizanstalt Graz-Karlau tätig, als sie auf eine Stellenanzeige des Heeres aufmerksam wurde. Statt um die „schweren Jungs“ im Gefängnis kümmert sie sich seit November um die seelische Gesundheit der österreichischen Soldaten bei KFOR, trägt dabei selbst Uniform. Ein Kulturschock? „Nein, auch wenn die morgendliche Standeskontrolle am Anfang schon etwas gewöhnungsbedürftig war“, schmunzelt sie. In ihren ersten Wochen beim Kontingent ist Hagendorfer schon vieles gelungen. So hat sie 36 Freiwillige für ein Kriseninterventionsteam angeworben und ausgebildet.
Mehr Geld für Auslandseinsatz?
Sie wolle die Probleme in der Personalaufbietung nicht kleinreden, betont Ministerin Tanner. Vor allem Fachkräfte und Sanitätspersonal seien für das Ausland schwer zu bekommen — ein Abbild des Arbeitsmarktes. Das Bundesheer schafft sich Konkurrenz aber auch im eigenen Haus. Beim Grenzeinsatz daheim verdienen Soldaten nicht viel weniger. Eine Anhebung der Dienstzulage für den Auslandseinsatz soll das ändern. Tanners Kabinett hat eine Vorlage dazu erarbeitet, formell zuständig ist aber das grün geführte Beamtenministerium.