Der „Bollwerk“-Stern leuchtet wieder. So, wie der Weihnachtsstern die Geburt Christi ankündigt, kündigt dieser hier die Wiedergeburt eines Kultclubs an. Nach Jahren der Schließung öffnet die Großraumdiskothek wieder ihre Türen. Draußen hat sich schon eine Schlange gebildet. Es nieselt, doch die Dezemberkälte scheint niemanden von knappen Outfits abgehalten zu haben. Das Wummern der Bässe läutet die Partynacht ein.
Der Geist des vergangenen „Bollwerks“
Seit 1999 sorgte das „Bollwerk“ an verschiedenen Standorten für hemmungslose Partynächte, an die man sich am nächsten Morgen nur noch in einzelnen Bildfetzen erinnern konnte. Das war auch dem „Bollwerk“-Spritzer geschuldet. Doch fürs Feiern reichte es aus.
In der Silvesternacht im Jahr 2018 auf 2019 war dann jedoch Schluss. Das „Bollwerk“ am Weblinger Gürtel in Graz schloss nach 14 Jahren seine Türen. Die Gründe für die Schließung ließ Inhaber Martin Fritz damals offen. Jetzt fühlt es sich nicht unbedingt nach „Back to the Roots“ an, sagt Fritz, aber das „Bollwerk“ habe immer einen Namen gehabt und dem will man nun „wieder gerecht werden“. Das zeigt auch ein Besuch in der Kultdisco.
Fotos der Neueröffnung:
Der Geist des gegenwärtigen „Bollwerks“
„Den Ausweis bitte.“ Die Aufforderung gilt der Gruppe vor uns. Freitags bleibt es bei der bekannten Altersgrenze ab 16 Jahren, aber heute, bei der Eröffnungsfeier, wird man erst ab 18 Jahren eingelassen, so, wie es auch für die kommenden Samstage geplant ist. Wir werden durchgewinkt. Niemand fragt nach dem Ausweis. Man sieht uns wohl an, dass wir zu den Gästen von damals gehören könnten. Und man hat uns nicht vergessen. Der Beweis dafür sind die zwei Tanzflächen: „Werk 1“ bedient die neue Generation mit aktuellen Hits; das „Werk 2“ soll hingegen in den ehemaligen Gästen mit Hits aus den 80er- bis 2010er-Jahren die Nostalgie der vergangenen Jugend wecken. Auf Monitoren wird Videomaterial aus 2006 gezeigt. Daneben steht eine Gruppe Jugendlicher, die aus dem gleichen Jahr stammen könnte.
Obwohl der Abend noch jung ist, wird an der Bar ein Shot nach dem anderen verteilt. Bis 22 Uhr gilt die Aktion „1 + 1 gratis“. Wer ein Erinnerungsfoto vom alten „Bollwerk“ in Graz-Nord oder im „Center West“ vorzeigt, bekommt einen „Bollwerk“-Spritzer gratis dazu. Noch sind die Tanzflächen spärlich besucht. Doch das ändert sich sogleich. Die Musik setzt aus. Eine tiefe Männerstimme begrüßt die Menge mit den bekannten Worten „Welcome to Bollwerk“.
Der Geist des zukünftigen „Bollwerks“
„Es gibt kein Morgen“, antwortet eine Gruppe junger Männer auf die Frage, unter welchem Motto der Abend für sie stehe, „heute wird eskaliert. Volle Bolle!“ Im „Bollwerk“ spielt sich alles im Hier und Jetzt ab. Die Luft ist mittlerweile so dick, dass man sie mit den Händen in zwei Hälften teilen könnte. Sie riecht nach Schweiß, Alkohol und billigem Männerparfüm.
Das „Bollwerk Graz“ knüpft da an, wo es aufgehört hat. „Man braucht das Rad nicht neu erfinden“, sagt Martin Fritz. Man will sich an seiner eigenen Vergangenheit messen. Fragt man bei der Security nach, heißt das lange und vor allem wilde Nächte. Doch bis auf einen Mann, der bereits um halb elf von der Security nach draußen begleitet wird, sieht alles noch vergleichsweise harmlos aus.
Draußen am Parkplatz vor dem Club kommen immer noch Autos an. Für viele ist die Nacht noch nicht vorbei, doch sie wird enden, wo sie begonnen hat: unter dem „Bollwerk“-Stern.
Helena Pichler