Die Wetterlage hat sich entspannt, der viele Schnee bleibt aber eine Herausforderung für die Einsatzkräfte. „Das Problem ist, dass er so sehr schwer und nass ist“, fasst Urs Harnik-Lauris (Energie Steiermark) die Misere zusammen. 30 Techniker arbeiten seit gestern mit den örtlichen Feuerwehren an der Reparatur des Stromnetzes. Durch die Schneelast auf den Bäumen wurde eine Hochspannungsleitung bei Weißkirchen umgeknickt. Effekt: „Weite Teile des Murtales sind von der Versorgung abgeschnitten.“ Betroffen sind die Energienetze wie auch die Stadtwerke Judenburg, Murau und weitere Versorger. Umgerechnet bis zu 20.000 Haushalte haben keinen Strom. Gegen 17 Uhr hieß es am Sonntagnachmittag dann erstmals Aufatmen: Die Stromversorgung im Murtal ist wiederhergestellt.
Murtal auch am Sonntag ohne Strom
Seit den frühen Morgenstunden waren bis zu 120 Techniker in den betroffenen Gebieten in der Obersteiermark im Einsatz. Auch Monteure aus Graz und der Oststeiermark wurden beordert, einen Ersatzmast zu errichten, wie Harnik-Lauris erklärt: „Die defekte Hochspannungsleitung ist nach wie vor das zentrale Problem. Es wird an einem provisorischen Strommast gearbeitet. Solange das übergeordnete Netz keinen Strom hat, können auch die lokalen Netze nicht versorgt werden, der Strom kommt nicht ins Tal.“
Ein provisorischer Mast wurde mithilfe eines Hubschraubers aufgestellt. Zudem ist der Helikopter im Downwash-Einsatz und hilft aus der Luft bei der Schneeräumung. Auch das Bundesheer ist dahingehend im Einsatz. Seit Sonntagmittag steht nach Anforderung der Landeswarnzentrale Steiermark das Heer aus Aigen im Ennstal und Hörsching im Assistenzeinsatz, um Einsatzkräfte und Gemeinden dabei zu unterstützen, die Schneemassen in den Griff zu bekommen. Mit dem Hubschrauber sollen im Raum Liezen, Aigen, Paltental, Hohentauern und im Murtal Stromleitungen vom Schnee befreit werden. Aufgrund des Einsatzortes wurden auch die Betriebsdienste am Fliegerhorst Fiala-Fernbrugg in Aigen im Ennstal zur Unterstützung des Einsatzes durch Betankung und Flugsicherung in den Dienst gestellt.
20 Stunden Arbeit bei Minusgraden
Wann die betroffenen Haushalte wieder mit Strom rechnen können, war am Vormittag schwer abzuschätzen. Harnik-Lauris hoffte, dass die Stromversorgung im Laufe des Tages wiederhergestellt werden kann – und sollte recht behalten. Gegen 17 Uhr ging im Murtal das Licht für die 20.000 Betroffenen wieder an. „Bis auf wenige Ausnahmen konnten wir die Stromversorgung wiederherstellen“, freut sich Harnik-Lauris. 20 Stunden arbeiteten die Monteure bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt daran, den provisorischen Mast zu errichten. „Den Leuten gebührt wirklich Verneigung und großer Respekt.“ Die Reparaturarbeiten werden noch Wochen andauern, prognostiziert der Sprecher der Energie Steiermark. „Da die Schäden so massiv sind, werden sie uns bis nach Weihnachten beschäftigen. Denn es ist nicht nur der eine Mast, sondern mehrere Leitungen, die betroffen sind.“ Vor allem der Zugang zu den Schäden sei wie im Fall des Mastes eine Herausforderung. „Man kommt eigentlich nur mit dem Bagger dazu, der Hubschrauber hat uns zusätzlich unterstützt. Es war ein großflächiger Einsatz“, so Harnik-Lauris.
Zeitweise waren mehr als 600 Trafostationen in der Obersteiermark vom Netz. Am Sonntagmorgen waren noch 268 Stationen außer Betrieb. Kurz vor 16 Uhr konnte die Energie Steiermark bekannt geben, dass der provisorische Mast steht. Der alte Mast bleibt ebenfalls, ob eine Reparatur überhaupt möglich ist, muss erst geprüft werden. Das unwegsame Gelände erschwert die Arbeiten der Monteure. In der Nacht mussten Pflüge und Bagger Wege zu den betroffenen Stellen frei machen. Auch das Mobilfunknetz ist im Murtal stellenweise ausgefallen. Am Sonntagnachmittag wurde der provisorische Strommast aufgestellt.
Feuerwehren bereiten Notbetten vor
Währenddessen rüsten sich die Feuerwehren in den betroffenen Gebieten. Alle Rüsthäuser und Rotkreuz-Dienststellen in den Bezirken Murau und Murtal sind besetzt. Bei der Feuerwehr Fohnsdorf werden Notbetten für die kommende Nacht vorbereitet: „In der Fahrzeughalle und im ersten Obergeschoss bringen wir insgesamt 300 Personen unter, wir sind gerade dabei, alle Vorbereitungen zu treffen“, sagt Feuerwehrkommandant Leo Temnitzer. Um möglichst vielen Betroffenen einen Schlafplatz anzubieten, werden die Bewohnerinnen und Bewohner gebeten, Matratzen, Matten oder, wenn möglich, Feldbetten ins Rüsthaus mitzunehmen.
Im Ennstal, Murau, dem Oberen Murtal und Leoben wurde am Samstag Schneewarnung ausgesprochen. Die Landeswarnzentrale ersucht die betroffenen Bewohner via ORF-Radio bei Hilfe, die nächstgelegene Rotkreuz-Dienststelle oder das nächstgelegene Feuerwehrrüsthaus aufzusuchen. Ebenso wird Eltern von Babys und Kleinkindern empfohlen, wenn die Möglichkeit besteht, Verwandte oder Freunde außerhalb des Gebietes aufzusuchen und nicht auf die Wiederherstellung der Stromversorgung zu warten.
Schulen sind geöffnet
Das Land Steiermark und die Bildungsdirektion gaben am Sonntagnachmittag zunächst bekannt, dass Kinder in betroffenen Gebieten am Montag schulfrei haben sollen. Grundsätzlich sollten in den Schulen Betreuungsmöglichkeiten eingerichtet werden. Mit der Nachricht, dass der Strom wiederhergestellt werden konnte, revidiert die Bildungsdirektion nun auch die Weisung eines schulfreien Tages am Montag. „Kinder, die aufgrund des Schnees ihre Schule nicht erreichen können, sind dennoch entschuldigt“, betont Präsidialleiter Bernhard Just.
Im Bereich Knittelfeld und Zeltweg scheinen die Gemeinden vom großen Stromausfall verschont geblieben zu sein. Harald Bergmann, Bürgermeister von Knittelfeld (SPÖ): „Wir hatten am Samstag ein leichtes Flackern mitbekommen, aber ansonsten keine Probleme gehabt.“ Wer Hilfe benötigt, könne sich jederzeit an die Gemeinde bzw. an die örtlichen Feuerwehren wenden, sagt der Bürgermeister. Die Landesregierung bedankt sich bei den zahlreichen Einsatzkräften in der Obersteiermark: „Unser Dank gilt allen Helferinnen und Helfern, die aktuell intensiv an der Bewältigung der Schneemassen arbeiten“, heißt es von Landeshauptmann Christopher Drexler (ÖVP) und Stellvertreter Anton Lang (SPÖ).
Stromausfälle in Spitälern
Anders sieht es in einigen Spitälern aus. Vom Stromausfall betroffen war unter anderem das LKH Judenburg: „Die Computer waren kurz finster, dann ist gleich das Notstromaggregat angelaufen. Die Techniker sind am Arbeiten. Wir halten den Laden am Laufen. Heute gibt es Gott sei Dank keine geplanten Operationen“, erzählte ein Krankenhausmitarbeiter der Kleinen Zeitung. Generell würde es keinen Grund zur Sorge geben. „In Judenburg garantiert das Notstromaggregat eine Versorgung über volle 72 Stunden.“
Am LKH Knittelfeld habe man die Situation im Griff, so ein Verantwortlicher. „Es gab zwar immer wieder Ausfälle, aber die Dieseltanks sind voll.“ Auf der Stolzalpe war das zweite Haus am Abend wieder am Netz, für „Haus eins läuft noch das Notstromaggregat“.
Straßen gesperrt, Tunnel ohne Strom
Viele Straßen können wegen umgestürzter Bäume auch am Sonntag nicht befahren werden. Etwa die B 317 zwischen Klagenfurt und Judenburg. Die Bundesstraße ist bei Neumarkt in der Steiermark und Scheifling in beiden Richtungen gesperrt. Ebenso gesperrt sind derzeit die Gaberl-Bundesstraße (B 77) bei Kleinlobming, die Landesstraße L 504, die B 116 bei Leoben/Hinterberg sowie die B 113 zwischen Seltzthal und Rottenmann.
Die Murtal-Schnellstraße S 36 ist in beiden Richtungen aufgrund eines Stromausfalls im Tunnel bei St. Georgen ob Judenburg weiterhin gesperrt. „Auch bei Unzmarkt ist die Unterflurtrasse nicht befahrbar, der Verkehr wird aber über die B 317 umgeleitet“, sagt Asfinag-Pressesprecher Walter Močnik. „Verkehrstechnisch geht das recht problemlos, weil die Straße parallel verläuft.“ Auf der Obdacher Straße B 78 darf maximal 30 km/h gefahren werden, auch hier ist der Grund ein Stromausfall im Tunnel Obdach. Die Einschränkungen im Tunnelverkehr bleiben, bis der Stromausfall behoben ist. Im Rest der Steiermark gebe es keine Probleme mehr, so der Pressesprecher. „Der Schnee konnte gut geräumt werden.“
Weitere Ausfälle bei den ÖBB
Die ÖBB sprachen am Samstag eine Reisewarnung aus. Wegen einer Oberleitungsstörung zwischen Judenburg Bahnhof und Thalheim-Pöls-Bahnhof war an Weiterfahrt nicht zu denken. „Die Fahrgäste wurden vom Roten Kreuz mit warmen Getränken versorgt“, erzählte Nina Pölzl, Bezirkshauptfrau. Für S-Bahnen und den Regionalverkehr konnte später ein Schienenersatzverkehr eingerichtet werden.
Auch am Sonntag ist mit Ausfällen und Verspätungen zu rechnen. Wegen starker Schneefälle sind zwischen Haus im Ennstal und Schladming-Bahnhof bis voraussichtlich 16 Uhr keine Fahrten möglich. Fernverkehrszüge von Salzburg/Innsbruck nach Graz enden in Bischofshofen. Züge von Graz nach Innsbruck/Salzburg fahren nur bis nach Selzthal. Für den Nahverkehr wurde ein Schienenersatzverkehr zwischen Schladming und Gröbming eingerichtet.
Zwischen dem Selzthal-Bahnhof und Kleinreifling-Bahnhof sind derzeit keine Fahrten möglich. Über die Dauer der Unterbrechung kann derzeit noch keine Angabe gemacht werden. Die Züge warten die Sperre vorerst ab, heißt es von den ÖBB.
Ob das Murtal zum Katastrophengebiet erklärt wird, sagte Pölzl am Samstag: „Die Lage muss weiter geprüft werden. Es wird davon abhängen, wann die Hochspannungsleitung repariert sein kann. Die Spitäler wären dank Notstromaggregate abgesichert. Aus Seniorenheimen usw. kamen noch keine Meldungen. Für die weitere Vorgehensweise müssen wir die Arbeiten der Energie Steiermark abwarten“, sagt Pölzl am Sonntag. Gabriele Kolar, Zweite Landtagspräsidentin (SPÖ) aus Judenburg, skizzierte die Situation gestern so: „Ich habe gerade meine Campingausrüstung geholt. Eine kleine Blackout-Übung.“
Auch Grazer Gemeinderat Tristan Ammerer (Grüne) blieb gestern auf dem Weg von Dortmund nach Graz im Zug stecken. Bei Passau war ein Baum auf die Gleise gestürzt und hat die Oberleitung beschädigt. „Ich dachte schon, ich muss im Zug übernachten“, sagt Ammerer. „Ein Herr im Zug hat dann einen Freund angerufen und gefragt, ob ich mitfahren möchte. Er hat uns abgeholt, nach Linz gefahren und wollte nicht einmal Benzingeld haben.“ Am Sonntag setzt Ammerer seine Zugreise nach Graz fort: „Diesmal komme ich hoffentlich auch an.“
Einsatzkräfte waren gefordert
Quer durch die Steiermark forderten umgestürzte Bäume und Unfälle die Einsatzkräfte bis in die Abendstunden. Besonders stark betroffen war am Samstag der Bezirk Liezen. Seit den Nachtstunden standen rund 300 Feuerwehrkräfte im Einsatz. Am Nachmittag ereignete sich ein schwerer Unfall auf der B 320, eine 53-Jährige wurde dabei im Fahrzeug eingeklemmt. Einsatzkräfte der Feuerwehren befreiten die Verletzte, sie wurde ins LKH nach Rottenmann eingeliefert. Die Bundesstraße war bei Stainach für etwa eineinhalb Stunden gesperrt.
In den Gemeinden Sachendorf, Spielberg, Flatschach, Seckau, Großlobming, Kleinlobming, Apfelberg, Knittelfeld, Glein, Kobenz und St. Marein waren die Feuerwehren rund um die Uhr im Einsatz. Dutzende Bäume waren umgestürzt. Auf der Gaberl-Bundesstraße war die Lage besonders kritisch: 13 Personen, darunter zwei Kinder, wurden von umgestürzten Bäumen eingeschlossen. Die Feuerwehr musste 60 Bäume auf dem Weg dorthin von der B 77 entfernen, um zu den eingeschlossenen Personen zu gelangen.
Neben zahlreichen Schneeeinsätzen gab es auch eine Tierrettung. Mitarbeiter der Autobahnmeisterei Graz-Raaba haben Sonntagfrüh auf der Laßnitzhöhe einen verletzten Uhu auf der Fahrbahn entdeckt. Der Vogel wurde gerettet und dem Verein „Wildtiere in Not“ in Mariatrost übergeben.
Lkw mit Sommerreifen unterwegs
Gefragt waren die Feuerwehren noch im Bezirk Voitsberg. In Maria Lankowitz stürzte gegen Mittag ein Baum auf ein Fahrzeug, verletzt wurde niemand. Anders auf der A 2 im Packabschnitt (Modriach): Der Fahrer eines Sattelschleppers hatte die Kontrolle über das Fahrzeug verloren und krachte in die Leitschiene. Die Fahrerkabine verkeilte sich. Eine Person konnte sich leicht verletzt selbst befreien, ein zweiter Insasse aber wurde eingeklemmt. Die Feuerwehr befreite ihn, er wurde anschließend ins Spital gebracht. Viele Schlepper sollen ohne Winterreifen und ohne Schneeketten unterwegs gewesen sein und dadurch die Autobahnen blockiert, heißt es von der Asfinag. Vor allem auf der A-2-Südautobahn im Bereich Wolfsberg in Fahrtrichtung Wien sowie auf der A-9-Pyhrnautobahn beim Gleinalmtunnel in beiden Richtungen.
Einen spektakulären Unfall gab es bei Wieselsdorf (Preding): Ein Lenker kam mit seinem Auto von der Landesstraße 617 ab. Das Auto rutschte in einen Bach und blieb auf dem Dach liegen. Der Mann wurde unbestimmten Grades verletzt und in das LKH Deutschlandsberg gebracht. Auf der S 6 bei Bruck/Mur kam am Nachmittag ein Pkw von der Straße ab. „Das Fahrzeug hatte sich überschlagen und war seitlich neben der Schnellstraße zum Liegen gekommen“, schilderte Stadtfeuerwehr. Der Unfall „ging für den Fahrer Gott sei Dank glimpflich aus. Er blieb unverletzt.“
Kein Neuschnee am Sonntag
Am Sonntag, dem 1. Advent, nimmt der Schneefall vorerst ab und die Sonne kommt heraus. Bis auf ein paar Schneeflocken im Raum Bad Aussee, im Ennstal und in Mariazell wird es am Sonntag „keinen messbaren Niederschlag geben“, sagt Geosphere-Meteorologe Hannes Rieder. In der Obersteiermark bleibt es zudem kalt und winterlich, „Dauerfrost“ wird erwartet. Die Temperaturen bleiben den ganzen Tag über unter null Grad Celsius.
Wetter für kommende Woche: „Es bleibt winterlich“
Auch in der kommenden Wochen bleibt es in ganz Österreich vorerst kalt und winterlich. Ab Dienstag ist dann wieder mit weiterem Schneefall zu rechnen, auch in tieferen Lagen. „Pünktlich zum Nikolaustag könnte es wieder ordentlich schneien“, so der Meteorologe. Die Temperaturen bleiben unterdurchschnittlich kalt. Grund dafür ist die polare Luft aus dem Norden, die über Österreich zieht. „Dieses Phänomen kommt immer seltener vor.“ Die Tageshöchstwerte bewegen zwischen maximal fünf Grad und null Grad Celsius. In der Obersteiermark könnten die Temperaturen in den zweistelligen Minusbereich rutschen.