Sonja Wogrin tritt in die Pedale. Jeden Tag fährt sie von ihrem Haus den steilen Hügel hinunter und durch die Stadt. Zuerst in den Kindergarten. Mit ihrem E-Bike, die beiden Töchter – fünf und sechs Jahre alt – hinten im Anhänger.

Und dann geht es für die 38-jährige Wahlgrazerin weiter in die Arbeit. Dort tauscht sie E-Bike gegen Computer, ihr Vorhaben bleibt aber dasselbe: Sonja Wogrin will die Energiewende schaffen.

Zumindest möchte die technische Mathematikerin dazu beitragen, dass ganz Österreich den Wechsel zur erneuerbaren Energie schafft. Deshalb rechnet sie Tag für Tag auf Hochtouren, erstellt Modelle, probiert mögliche Lösungen aus.

Zeit rennt

Gemeinsam mit einem Team aus rund 45 Forscherinnen und Forschern aus den verschiedensten Bereichen hat sie im Forschungszentrum "Energetic" an der Technischen Uni Graz sogenannte "digitale Zwillinge" erstellt, die das Energiesystem am Computerbildschirm zeigen. So kann man in verschiedenen Szenarien durchspielen, wie die Zukunft von Strom, Gas und Wärme in Österreich aussehen könnte, was die Optionen sind. Etwa, wie man die Infrastruktur ausbauen müsste, wie viel das kostet, was das wirtschaftlich bedeutet und wie schnell das gehen kann.

Um Solar-, Wind- und Wasserkraft auszubauen, braucht es Investitionen
Um Solar-, Wind- und Wasserkraft auszubauen, braucht es Investitionen © stock.adobe.com

Viel Zeit bleibt nicht. In sieben Jahren soll nur noch Strom aus erneuerbaren Quellen aus unseren Steckdosen kommen. Bis 2040 will Österreich klimaneutral werden, Energiesysteme müsste man bis dahin völlig dekarbonisieren, also Emissionen des klimaschädlichen Kohlendioxids verhindern. "Wir wollen raus aus Erdöl, Kohle und Gas, also könnten wir Wärme verstromen, etwa durch Wärmespeicherpumpen", sagt Wogrin. Doch die Menge, die an Strom benötigt wird, ist gigantisch. Vor allem in der Industrie.

"Müssen uns entscheiden"

"Es braucht einen massiven Ausbau von Solar-, Wind- und Wasserkraftwerken", sagt Wogrin. Allein für elf zusätzliche Terawattstunden an Solarstrom bräuchte es eine Fläche so groß wie 10.000 Fußballfelder für die Photovoltaikanlagen. "Es braucht enorme Investitionen", sagt Wogrin. Dafür ist sie in Kontakt mit dem Klimaschutzministerium, die Technische Uni Graz agiert als so etwas wie ein neutraler Berater.

Wogrin selbst ist überzeugt, dass wir die Energiewende schaffen können. Es brauche aber mehr Bewusstsein in der Bevölkerung. Als jemand, "der die Berge liebt", versteht sie jene Menschen zwar, die Windräder dort als Verschandelung sehen, aber: "Wir können nicht weiterhin so viel Strom verbrauchen und nichts dafür tun. Wir wollen eine nachhaltige Zukunft für uns und für unsere Kinder. Und wenn wir sagen, das ist uns als Bevölkerung wichtig, dann müssen wir uns für eine Lösung entscheiden, und nicht immer nur sagen, diese Lösung gefällt mir nicht und die gefällt mir eigentlich auch nicht. Man muss eben abwägen."

Also versucht die gebürtige Kärntnerin, weiterhin Überzeugungsarbeit zu leisten. Bei den Politikerinnen und Politikern. Bei ihren Studierenden an der Technischen Uni Graz. Aber auch im Kleinen bei ihrer Familie und ihren Freunden. Schließlich helfe es schon, wenn man mit dem Rad fährt oder seine Gastherme gegen eine Wärmepumpe tauscht. Bei ihren Eltern hatte Wogrin schon Erfolg: "Sie wollten nie eine Photovoltaikanlage. Und jetzt ist sie wie ein Kind für meinen Vater und er ist so stolz drauf."