Tausende Videospiel-Fans blickten in den letzten Tagen gespannt in ein überschaubares Grazer Wohnzimmer – und zwar rund um die Uhr. Der österreichische Streamer Jessirocks war nämlich für neun Tage durchgehend auf der Livestreaming-Plattform Twitch online. Der Grund: Diablo 4.
Die Fortsetzung der Videospiel-Reihe ist von zahlreichen Videospiel-Fans auf der ganzen Welt seit Jahren erwartet worden. Bei Diablo 4 handelt es sich um ein "Action-Rollenspiel", das in der fiktiven Welt Sanktuario spielt. Man kämpft gegen böse Kreaturen und erlernt neue Fähigkeiten – alleine oder mit Freunden. "Und ich bin im deutschsprachigen Raum quasi die Anlaufstelle für Diablo", sagt Jessirocks, der im bürgerlichen Namen Thomas heißt. Er nennt sich selbst auch "Erklärbär", weil er seinen Fans nahezu alles in den Diablo-Spielen erklären kann. Mit über 200.000 Followern auf Twitch gehört er zu den größten Streamern Österreichs und kann sogar schon davon leben.
Zwischen Streaming-PC und Heimtrainer
Die Veröffentlichung von Diablo 4 ist für ihn und sein Team deswegen etwas ganz Besonders. "Sowas erlebt man nicht oft", sagt er. Fünf Computer, zwei Laptops und zehn Monitore – alles findet seinen Platz auf den endlosen Schreibtischen im dunklen Wohnzimmer in Graz. Die neueste Technik ist nur gut genug und sie läuft auf Hochtouren. Im Eck des Streamingzentrums findet sich jedoch ein älteres Technikstück wieder: ein filigraner Heimtrainer. "Irgendwie müssen wir uns ja fit halten, wenn wir so lange streamen", lacht Jessirocks.
Fit sieht die Gruppe rund um den Kärntner Streamer, der in Graz lebt, nach 18 Stunden im Livestream allemal noch aus. Am 1. Juni haben sie gestartet und seitdem unterhalten sie Tausende Gaming-Fans mit ihrer Expertise. Die Vorfreude war riesig, aber auch die Aufregung.
Routinierter Ablauf für Tausende Fans
Von der Aufregung ist im Grazer Wohnzimmer wenig zu spüren. Die Arbeit des Teams greift ineinander wie ein Zahnrad. "Sagst du im Stream, dass wir Gäste haben", sagt Thomas, als die Kleine Zeitung eintrifft. Währenddessen stellt Florian, der Techniker des Teams, in den Einstellungen des Streams etwas um und auf einmal wechselte das Livebild zu einem anderen Computer – wie bei einer Fernsehübertragung. Nicht nur der Ablauf, sondern auch die Zuseherzahlen gehen schon fast in Richtung Fernsehen. Bis zu 35.000 Menschen sehen gleichzeitig zu, wie Diablo 4 gezockt wird.
Jessirocks, warum so lange live?
"Schon vor dem Start des Streams waren 7000 Menschen vor den Bildschirmen", sagt Jessirocks. Egal ob Freitagnachmittag oder Dienstagfrüh, die Leute sind da und schauen Jessirocks und Co. zu. "Viele Fans haben sich für die Veröffentlichung extra Urlaub genommen", so Jessirocks. Was sich erst später zeigen wird: Im Laufe der neun Tage wird der Stream rund fünf Millionen Aufrufe verzeichnen.
Lange Vorbereitung
So ein großes Vorhaben funktioniert laut dem Kärntner nur mit guter Organisation, wenig Schlaf und mit Hilfe. "Drei Monate haben wir uns darauf vorbereitet. Meine Kollegen sind extra aus Deutschland gekommen, um mitzuhelfen", sagt Thomas. Damit sie neun Tage am Stück streamen können, wechseln sie sich regelmäßig ab. Zu den Hauptzeiten spielt Jessirocks, zu den Randzeiten seine Kollegen. Warum sie so lange streamen, lässt sich mit mehreren Gründen erklären. "Einerseits kommen die Kollegen extra aus Deutschland. Da zahlt es sich aus, wenn wir gleich länger streamen", so Thomas. Auf der anderen Seite wirkt sich ein langer Stream auch positiv auf das Wachstum aus. Je länger man nämlich einen hoher Zuseherschnitt hält, desto länger wird man von Twitch als Streamer in den jeweiligen Spielkategorien vorgeschlagen und mehr Leute werden auf ihn aufmerksam.
Wie geht es ihnen nach über eine Woche streamen?
Ein Besuch am achten Tag zeigt, dass diese Vorgehensweise Früchte getragen hat. Im Streaming-Zeitraum hat Jessirocks über 37.000 neue Follower dazugewonnen. Zum Vergleich: Alle neuen Fans würden nicht einmal in das Klagenfurter Wörthersee-Stadion passen oder die Merkur-Arena in Graz mehr als zweimal füllen. Dazu kommen über 400.000 Chat-Nachrichten seiner Follower, eine durchschnittliche Zuseherzahl von 12.300 und ein paar kurze Nächte. "Nach acht Tagen ist es schon sehr zach", sagt Jessirocks mit verschlafenem Blick. Das filigrane Fitnessrad steht noch immer hinter ihm. "Das Rad hat seinen Zweck erfüllt", lacht er. Ein paar Hundert Kalorien hat das Team im Laufe der Tage abgebaut. Anders gesagt: Eine kurze Strecke im langen Streaming-Marathon.