Kunstbahnrodler Wolfgang Kindl hat seinen olympischen Traum am Sonntag wahr gemacht und Silber geholt. Bei den Winterspielen von Peking leistete sich der Tiroler, der am Samstag nach den ersten beiden Läufen knapp hinter Topfavorit Johannes Ludwig gelegen war, auch im dritten und vierten Durchgang keine Schnitzer und musste sich dem Deutschen schließlich nur um 0,160 Sekunden geschlagen geben.
"Ich bin ein bisserl sprachlos. Es war unglaublich viel Arbeit, echt hart erkämpft. Wir haben so viel auf uns genommen, darauf verzichtet, vor Olympia heimzufahren. Es war eine extrem lange, harte Zeit, aber es hat sich rentiert", reflektierte Kindl die unmittelbare Vorbereitung auf die Spiele, bei denen er sich über vier Läufe einen Zweikampf mit Ludwig lieferte. Bronze-Gewinner Dominik Fischnaller aus Südtirol hatte auf den Deutschen bereits einen Respektabstand von 0,951 Sekunden.
Der 33-jährige Kindl krönte mit der Glanzleistung auf der rund 1,5 km langen Strecke seine gelungene Saison, in der er Europameister wurde und im Gesamtweltcup auf Platz zwei gelandet war - ebenfalls hinter Saisondominator Ludwig. Als vorentscheidend im Kampf um Gold und Silber sollte sich der dritte Lauf erweisen, in dem Ludwig seinen Vorsprung auf Kindl von zuvor 0,039 auf 0,113 Sekunden ausbaute. Das war für den Doppelweltmeister von 2017 im finalen Durchgang zwar nicht mehr aufzuholen, reichte aber zum erstmaligen Sprung aufs olympische Stockerl - nach drei neunten Plätzen 2010 in Vancouver, 2014 in Sotschi und 2018 in Pyeongchang.
"Es ist das größte was man erreichen kann, das hat bei mir gefehlt", meinte Kindl, der in der Vergangenheit immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen hatte. "Es war in den letzten Jahren sehr schwierig, weil ich den Anschluss nicht ganz gefunden habe", sagte der 1,66-m-Mann, der seine Karriere wohl fortsetzen wird: "Ich habe auch oft daran gedacht, aufzuhören. Es wird aber auch noch nicht das Ende sein, glaube ich, ich muss noch darüber nachdenken."
Markus Prock lobt Kindl
Markus Prock, Präsident des Rodelverbands, gratulierte Kindl nicht zuletzt zu dessen Willen. "Tolle Arbeit, der Wolfi war die letzten zwei, drei Jahre nicht mehr ganz vorne mit dabei. Aber man kennt ihn, er hat einen eisernen Willen, er hat alles in die Waagschale geworfen", gab der dreifache Olympia-Medaillengewinner an. "Es freut mich sehr, dass er die Medaille, die er vor vier Jahren hätte gewinnen können, nun nachgeholt hat."
Österreichs Rodler bleiben damit einer der wichtigsten Medaillenlieferanten bei Olympischen Spielen. Inklusive Kindls Silber gewannen die Kufen-Artisten bisher bei Winterspielen im Rodeln sechs Goldmedaillen, neun in Silber und acht in Bronze. In Peking könnten weitere hinzukommen: Madeleine Egle bei den Frauen (Montag/Dienstag), die Doppelsitzer Thomas Steu/Lorenz Koller (Mittwoch) und die Team-Staffel (Donnerstag) dürfen mit Edelmetall spekulieren. "Wir waren heuer in allen Disziplinen vorne dabei. Ich denke schon, dass wir noch eine Medaille holen werden", gab sich Kindl optimistisch.
Gleirschers abgeschlagen
Die weiteren Österreicher hatten mit der Entscheidung nichts zu tun. Pyeongchang-Olympiasieger David Gleirscher wies am Sonntag in beiden Läufen grobe Fahrfehler auf und musste sich mit Platz 15 zufriedengeben (+4,437). Sein Bruder Nico Gleirscher verbesserte sich nach Platz 27 im ersten Lauf sukzessive und beendete seine ersten Olympischen Spiele als Zwölfter (+3,548).
Nico Gleirscher sprach von einem "versöhnlichem Ende mit der Bahn. (...) Das Ergebnis kann sich im Nachhinein auch sehen lassen. Wenn ich nur den heutigen Tag betrachte, wären es coole Spiele gewesen. Aber 'hätt i, tät i, war i' gibt's nicht." Sein Bruder zog ein ernüchtertes Fazit: "Im dritten Lauf war es ein grober Fahrfehler, da habe ich überreagiert. Im vierten habe ich gemeint, es geht in die richtige Richtung, es war aber offenbar nicht die richtige."