Ihre Hebel haben augenscheinlich Siegesserienpotenzial. Madeleine Egle setzt neue Maßstäbe und schrieb ein Stück rot-weiß-rote Rodelgeschichte. In Oberhof raste die Tirolerin zu ihrem fünften Saisonerfolg und avanciert mehr und mehr zur Topfavoritin für die Olympischen Winterspiele in Peking. Die 23-Jährige fährt gewissermaßen mit der gesamten internationalen Konkurrenz Schlitten. Egle, die mit einer Größe von 1,85 die Größte im Feld ist, liebt den „Temporausch“ im Eiskanal und fiebert der bevorstehenden Europameisterschaft am Wochenende in St. Moritz entgegen.

Die Vorzeichen für eine erneute Glanzleistung stehen bestens. Egle präsentiert sich in der Bahn bisher nervenstark, konnte ihre Halbzeitführungen immer verteidigen. „Ich kann die Dinge abseits der Bahn sehr gut einordnen. Die Rolle der Gejagten teile ich mir momentan mit der Deutschen Julia Taubitz. Ich mag es, wenn es spannend ist“, sagt das Rodel-Ass, das genau weiß, was sie kann, aber auch, dass sie sich in Anbetracht der schonungslosen Konkurrenz keine Fehler leisten darf.

Sie setzt auf einen eigenen Mentaltrainer

„Ich kann mich über meine Form nicht beschweren, aber es gibt Luft nach oben“, sagt Egle, die im Vorfeld die Bahn im Kopf immer präzise durchgeht, da die Verinnerlichung eine wesentliche Rolle spielt. Zu Beginn ihrer Erfolgsserie täuschte es keineswegs, dass sie selbst ein wenig überrascht darüber war, was sie imstande ist, zu leisten. „Inzwischen habe ich es registriert, dass ich in der Weltspitze angekommen bin.“

Auf die Frage, was sie im Moment so stark macht, verdeutlicht sie, „dass ich verletzungsfrei bin und erstmals wieder die Vorbereitung voll durchziehen konnte. So bin ich athletisch sehr gut drauf, was sich speziell am Start, meiner großen Stärke, bemerkbar macht. Zudem kann sich meine Fahrlage sehen lassen und jetzt rodelt auch das Selbstvertrauen mit“, erklärt Egle, die auf einen eigenen Mentaltrainer setzt und auf ausgewogene Ernährung achtet.

Die Bahn ist die einzige mit Natureis

Apropos Selbstbewusstsein. Das wird die Wirtschaftsstudentin kommendes Wochenende benötigen, wenn es in St. Moritz beim Weltcupfinale um EM-Medaillen geht. Auf der langen Natureisbahn im Engadin, 1928 und 1948 Schauplatz von Olympischen Spielen, wurde zuletzt zwar 2021 um Weltcup-Punkte gerodelt, zuvor gab es allerdings eine mehrjährige Pause. Somit fehlt es speziell den jüngeren Athleten an Bahnerfahrung. „Die Bahn ist die einzige mit Natureis, alle anderen Weltcup-Bewerbe werden auf Kunsteis gefahren. Wird spannend werden, wie wir die Umstellung hinbekommen“, sagte die Team-Weltmeisterin, deren bisheriger „Rekord“ in der Bahn bei knackigen 133 km/h liegt.

Egle, die Videostudien penibel analysiert, holte bei der EM in Lillehammer vor zwei Jahren mit der ÖRV-Staffel Gold und war in der U23-Wertung eine Klasse für sich. Eine Einzelmedaille bei den „Großen“ fehlt ihr noch in ihrer Sammlung.

Privat ist „Madi“ laut ihrer jüngeren Schwester Selina, die nächste heimische Zukunftsaktie, „sehr lustig, eine super Zuhörerin und tolle Schwester“.