"Wenn man bedenkt, was er bereits alles gewonnen hat, ist Stefan Kraft für mich einer der meist unterschätzten Skispringer der Geschichte. In den vergangenen Jahren war er für mich der Beste", streute der Ex-DSV-Cheftrainer und jetzige Eurosport-Kommentator Werner Schuster dem Österreicher knapp vor Beginn der WM in Planica Rosen. Eine Aussage, die sich durch Zahlen belegen lässt: Olympisches Team-Gold, dreifacher Einzel-Weltmeister, Weltrekordhalter (253,5 Meter), zweifacher Gesamtweltcup-Triumphator, 27-facher Weltcupsieger, um nur einige Großtaten des Pongauers zu nennen.
Insgesamt hat Kraft in seiner herausragenden Karriere bereits 142 Podiumsplätze eingeflogen. Eine beeindruckende Zwischenbilanz, die noch rosiger ausfallen könnte, wäre der 29-Jährige nicht auch der "Weltmeister der vierten Plätze". 24 Mal setzte Kraft im Weltcup bereits auf dem undankbaren Rang auf. Dazu kommt noch sechsmal Blech: einmal bei Olympia, fünfmal bei Weltmeisterschaften.
Hoffen auf ein "Schanzen-Hallelujah"
Womit wir in Planica angekommen sind. Dort musste Kraft bei seinen zwei bisherigen Auftritten (Normalschanze und Mixed) jeweils mit Platz vier vorliebnehmen. Einerseits ärgerlich, andererseits ein Ansporn dafür, es heute (17.30 Uhr, ORF 1) im Großschanzenbewerb noch besser zu machen. Kraft nimmt das Unternehmen Gold als Titelverteidiger in Angriff und hat aus dem rot-weiß-roten Quintett (neben dem Salzburger heben noch Daniel Tschofenig, Michael Hayböck, Jan Hörl und Manuel Fettner ab) die größten Chancen auf ein Schanzen-Halleluja.
Neben seinem Können wird Kraft heute aber auch eine Portion Glück benötigen. Selbiges blieb ihm auf der Normalschanze verwehrt, wo der Österreicher im Finale vom Winde verweht wurde. Kraft war nicht das einzige prominente Opfer und längst wurden Stimmen laut, welche die abendlichen WM-Sprungbewerbe kritisieren, weil die Thermik in Planica untertags weit stabiler ist. Doch wie heißt es so schön: Skispringen ist nun einmal ein Freiluftsport.
Extrameter durch Weltmeisterski
Das weiß natürlich auch Kraft: "Mittlerweile kann ich damit leben, es hilft nichts, ich bin cool skigesprungen, aber es wollte nicht sein. So ist es schon vielen gegangen." Der Weitenjäger ortet bei sich dennoch eine "super Form" und damit die reelle Chance auf die ersehnte Medaille. Dabei könnte Kraft auch wieder auf seine "Wunderwaffe" zurückgreifen. So hat der Österreicher auf der Normalschanze wieder seinen Weltmeisterski von Oberstdorf 2021 angeschnallt. "Dieser Ski hat etwas Spezielles, den kannst du nicht nachbauen. Ich habe das Gefühl: Wenn ich den Schanzentisch genau treffe, sind mit diesem Ski die Extrameter drin, die man bei einer WM braucht, um zu gewinnen."
Bleibt nur zu hoffen, dass der Ski im Gegensatz zu den ersten beiden Bewerben heute Krafts Träume wahr werden lässt.