Halvor Egner Granerud hat das Auftaktspringen der 71. Vierschanzentournee in Oberstdorf gewonnen. Dem Norweger gelang am Donnerstag in beiden Durchgängen der jeweils weiteste Sprung. Er setzte sich mit 13,4 Punkten Vorsprung vor dem Polen Piotr Zyla und dessen Landsmann und Weltcup-Leader Dawid Kubacki durch. Mit Stefan Kraft auf Platz fünf und dem achtplatzierten Daniel Tschofenig kamen zwei Österreicher unter die besten Zehn.
Vor 25.000 Zuschauern in der stimmungsvollen Arena im Allgäu griff Kraft im Entscheidungsdurchgang mit einem Sprung auf 138 m an. Er verbesserte sich damit von seiner Halbzeit-Position sieben um zwei Plätze. "Ich bin megahappy, vor allem, dass ich wieder gesund bin und Energie habe", sagte Kraft, der geschwächt von einer Verkühlung in der Qualifikation tags zuvor nur auf Platz 44 gelandet war. Der Salzburger sei auf der Schattenbergschanze aber wieder "sehr gut zurechtgekommen" und habe beim ersten Sprung sogar ein "bisschen die Handbremse" gezogen.
Ganz anders im zweiten Durchgang, als nur Granerud (139 m) einen Meter weiter sprang. "Das war mit mehr Selbstvertrauen ein richtiger Krafti-Sprung und hat sich ausgezahlt", war der Weltmeister im Zielraum glücklich. Der Rückstand auf Granerud beträgt nach dem ersten von vier Springen 20,4 Punkte, Zyla und Kubacki liegen mit sieben bzw. 2,9 Punkten Vorsprung auf Kraft in Schlagdistanz. "Alle, die vor mir sind, sind Favoriten. Ich bin voll dabei und gut drauf", blieb Kraft zuversichtlich.
Auch ÖSV-Cheftrainer Andreas Widhölzl war angesichts der Vorgeschichte zufrieden. "Er ist echt gut gesprungen. Am Anreisetag hat es überhaupt nicht so ausgeschaut, dass er springen kann", erklärte Widhölzl, nun habe sich Kraft aber wieder gut erholt. Auch der 20-jährige Tschofenig habe "einen guten Step" gemacht. Die weiteren ÖSV-Adler sprangen bei schwierigen, oft wechselnden Windverhältnissen ihren Erwartungen hinterher. Michael Hayböck (12.) und Manuel Fettner (13.) landeten im Mittelfeld, vor Jan Hörl (16.) und Philipp Aschenwald (23.). "Sie hatten nicht das nötige Glück mit dem Rückenwind", betonte Widhölzl.
Umstrittene Entscheidungen der Jury
Besonders Hayböck war mit den äußeren Umständen und der Jury unglücklich. "Die Sprünge waren okay, aber man hadert damit, wenn man im ersten Durchgang runtergelassen wird, wenn keiner fliegen kann", sagte der 31-Jährige sichtlich verärgert. "Dann ändern sich die Verhältnisse, sodass ein anderer Wettkampf entsteht." Hayböck sah einen unfairen Bewerb, die Chancen auf einen absoluten Tournee-Spitzenplatz sind mit einem Rückstand von 50,3 Punkten deutlich geschrumpft. Ähnlich erging es Fettner, der mit den milden Temperaturen über dem Gefrierpunkt und seiner Hocke kämpfte.
Clemens Leitner hatte als 35. (109,0 m) als einziger ÖSV-Adler den zweiten Durchgang verpasst. "Ich bin brutal enttäuscht. Ich hatte viele Sprünge um die Top Ten, das tut noch mehr weh, als ich gedacht habe", sagte der Tiroler, der in der Qualifikation noch Elfter geworden war. "Lehrgeld bezahlt, zu früh am Schanzentisch werde ich nicht mehr sein." Auch der Deutsche Markus Eisenbichler, 2018/19 Tournee-Zweiter, blieb als Verlierer seines Duells auf der Strecke.
Granerud hatte unterdessen nach dem ersten Durchgang mit einem überragenden Satz auf 142,5 m bereits vor Zyla und Kubacki geführt. Lokalmatador Karl Geiger wurde von den deutschen Fans frenetisch bejubelt, verpasste das Podium als Vierter aber um 1,3 Punkte.