Nachdem Sara Marita Kramer am vergangenen Samstag bei ihrem ersten positiven Corona-Test einen hohen CT-Wert aufwies, klammerte man sich beim ÖSV an den Strohhalm, dass es die Dominatorin der heurigen Skisprungsaison doch noch zu den Olympischen Spielen nach Peking schaffen würde. Nach einem nun erneut positiven Test ist der Traum unter den fünf Ringen für die Salzburgerin aber endgültig geplatzt und Österreich um eine aussichtsreiche Goldkandidatin ärmer.
„Wir haben alles versucht, aber da Sara einen sehr niedrigen CT-Wert aufweist, ist eine Einreise nach China, wo ein CT-Wert über 35 gefordert wird, unmöglich“, erklärt Mario Stecher, der nordische ÖSV-Sportdirektor. Auch, wenn Kramer bereits heute erstmals negativ getestet werden würde, ginge es sich mit einem Einsatz beim Einzelspringen am Samstag zeitlich nicht mehr aus. So sieht das Prozedere vor, dass man vier Tage in Folge einen negativen PCR-Test abgeben muss.
"Ist die Welt wirklich so unfair?"
"Kein Worte, keine Gefühle, nur Leere. Ist die Welt wirklich so unfair?", schrieb Kramer auf Instagram unter dem Hashtag #livinganightmare ("Ich lebe einen Albtraum"). Sie habe die vergangenen Jahre auf Olympia hingearbeitet und so viel Kraft und Zeit reingesteckt, um ihre Träume wahr werden zu lassen. "Nun fühlt es sich an, als wären meine Träume an einem Tag zerplatzt." Es werde Kraft brauchen, den Körper wieder mit Energie und neuen Träumen zu füllen, um das Feuer wieder zu spüren.
Kramer, die mit sechs Tagessiegen den Gesamtweltcup überlegen anführt, stolpert damit zum zweiten Mal in ihrer Karriere über das Virus. Im Februar 2021 erhielt sie in Rasnov trotz negativen PCR-Tests von der rumänischen Gesundheitsbehörde keine Startfreigabe. Jene Punkte, die sie in Rasnov verpasste, fehlten ihr dann am Ende im Kampf um den Sieg im Gesamtweltcup. Kramer wurde in der Endabrechnung Dritte – mit elf Punkten Rückstand auf Gesamtsiegerin Nika Kriznar.
Aber auch das zwiespältige Verhältnis zwischen der 20-Jährigen und Großereignissen ist damit um ein trauriges Kapitel reicher. Bei der WM 2021 in Oberstdorf reichte es für Kramer als haushohe Favoritin in beiden Einzel-Wettkämpfen am Ende jeweils nur für Blech. Auf der Normalschanze hatte sie ein fragwürdiger Jury-Entscheid (vor ihrem zweiten Sprung wurde der Anlauf verkürzt) Gold gekostet, auf der Großschanze spielten der gebürtigen Niederländerin dann die Nerven einen Streich.
Lamparter: "Es kribbelt bei jedem Test ein bisschen"
Mit Kramer mitfühlen kann auch Kombinierer Johannes Lamparter, der in Peking ebenfalls als ÖSV-Goldanwärter gilt. „Es tut mir persönlich extrem leid für sie. Sie ist eine unglaubliche Skispringerin, in der Form ihres Lebens und hat alles für Olympia investiert.“ Der Tiroler befindet sich schon länger mit seinen Teamkollegen in einer Blase, „meine Familie und meine Freundin habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Ich hoffe nicht, dass es mich erwischt. Auf alle Fälle kribbelt es bei jedem Test ein bisschen.“ Die Kombinierer heben am Freitag nach Peking ab.