Ohne Aussichten auf einen Spitzenplatz in der Gesamtwertung folgt für die ÖSV-Springer der Schlussakt der Vierschanzentournee auf der "Österreicher-Schanze" in Bischofshofen. Am letzten Ruhetag vor dem Finale sammelten Stefan Kraft und Co. noch einmal ihre Kräfte, um die drohende zweijährige Durststrecke ohne Podestplatz in Tournee-Einzelbewerben zu vermeiden.
"Ich glaube, dass wir gut drauf sind, dass wir sicher um ein Stockerl mitspringen können", sagte Kraft am Tag bevor die 69. Auflage mit der Bischofshofen-Qualifikation am Dienstag (16.30 Uhr) und dem Dreikönigsspringen am Mittwoch (16.45/jeweils live ORF 1) beschlossen wird. "Aber erzwingen können wir es nicht. Wir hatten mit dem Coronavirus und alles zusammen schon viel Pech." Den Lauf, den andere Nationen haben, hätte das Team nicht erwischt. Vor zwei Jahren stand der Schwarzacher als Dritter unweit seiner Heimat auf dem Podest.
"Ein guter Abschluss ist immer was Schönes, an der Motivation scheitert es überhaupt nicht. Bischofshofen taugt uns allen sehr", sagte Philipp Aschenwald, der als Neunter bester Österreicher in der Gesamtwertung ist. Für Rot-Weiß-Rot drängt sich ein ähnliches Endklassement wie vor zwei Jahren auf, als Daniel Huber Gesamt-Neunter wurde. Ein Jahr davor bedeutete der 14. Platz von Michael Hayböck in der Gesamtwertung das schlechteste Ergebnis seit 40 Jahren.
Auf der Paul-Außerleiter-Schanze feierten Österreicher schon große Erfolge. Hier wurden 16 heimische Gesamtsiege fixiert und 23 Einzelsieger bejubelt. Die letzten Triumphe sind allerdings schon sechs Jahre her: 2015 schrieb sich Hayböck beim Gesamtsieg seines Kumpels Kraft als bisher letzter Österreicher auf die Siegerliste.
In den vergangenen vier Jahren eroberten vor allem die Polen um Tournee-Leader Kamil Stoch die für Flieger prädestinierte Anlage. Stoch holte sich 2017 und 2018 jeweils mit dem Tagessieg in Bischofshofen den Gesamtsieg. 2020 tat es ihm Dawid Kubacki gleich, der als Schanzenrekordhalter (145 m) auch heuer als Zweiter in Lauerstellung liegt.
Getragen von einem Auftrieb, den das Corona-Wirrwarr in Oberstdorf und eine spätere Begnadigung ausgelöst haben, zogen die Polen das Momentum auf ihre Seite. Österreichs Topspringer tendieren zu einem Sieger Stoch. "Die Hand würde ich aber noch nicht ins Feuer legen, weil (Halvor) Granerud bis jetzt schon extrem stark war", sagte Kraft. "Ich glaube schon, dass der 20 Punkte aufholen kann, wenn alles für ihn läuft."
Frust im Team der Deutschen
Im deutschen Team herrschte auch am Tag nach dem Rückfall von Mitfavorit Karl Geiger auf Platz vier Frust. "Es ist echt eine bittere Pille, die man schlucken muss", sagte Geiger. Zwar lässt die Schanze in Bischofshofen mit ihrem speziellen Anlauf und weiträumigen Landebereich große Aufholjagden zu. Doch Bundestrainer Stefan Horngacher meinte angesichts der fast 14 Meter, die sein Schützling auf Stoch aufzuholen hätte: "Jetzt müsste schon ein Wunder geschehen."
Die Österreicher wollen hingegen ihre gute Form, die sie gebetsmühlenartig betonen, endlich einmal in den Wettkampf übertragen. Dann soll einem Top-Ergebnis nichts im Wege stehen, wie Huber mit Blick auf sich selbst betonte. "Grundsätzlich ist alles da. Ich muss nicht alles umschmeißen, einfach geduldig bleiben."
Kraft, der gesundheitsbedingt weiter den Improvisationskünstler gibt, ordnet seine Leistungen ohnehin weit oben ein. "Es fehlt nicht weit, ich bin voll dabei bei der Partie." Nach der Tournee will der Weltcup-Gesamtsieger noch in Titisee-Neustadt (GER) starten, dann aber das Zakopane-Wochenende in Polen und ein weiteres im Februar vor der WM in Oberstdorf (23. Februar bis 7. März) aus Schonungsgründen auslassen. Statt Fußball-Tennis mit Aschenwald und Co. hieß es für Kraft am Montag Bewegungstherapie in der "Altersheim-Variante": "Locker Spazierengehen."