Herr Kraft, als erstes zum aktuellen Geschehen in Planica, da Sie gestern nach Ihrem Flug mit den Schultern gezuckt haben. Warum sind die ganz großen Weiten heuer nicht möglich gewesen?
STEFAN KRAFT: Gute Frage, wenn ich es wüsste, würde ich es ändern. Ich tu mir im Augenblick extrem schwer, tüftle und suche ständig herum. Um ehrlich zu sein, bin ich etwas ratlos. Aber ich möchte unbedingt noch einmal die 230-Meter-Marke knacken. Die Atmosphäre, das Fahnenmeer hier sind ein Traum, ich werde alles aufsaugen.

Planica verlief bisher nicht nach Wunsch, nichtsdestotrotz sind Sie vor dem heutigen letzten Fliegen Zweiter in der Gesamtwertung.
Ja, das ist genial, oder eigentlich der Wahnsinn. Es zeigt, dass ich einen starken Winter hatte. Hätte mir das jemand vor der Saison gesagt, hätte ich ihn vermutlich ausgelacht. Heuer gibt es echt nicht viel zu jammern.

Wo wäre noch am meisten Luft nach oben gewesen?
Ganz klar zu Beginn der Saison, wobei ich mir eingestehen muss, dass ich im Sommer richtig schlecht war. Oder besser gesagt sogar katastrophal. Ich war ganz, ganz weit weg. Dann habe ich wegen der neuen Regeländerung mit dem Material herumprobiert. Das war leider der falsche Weg. Hätte ich das nur früher gecheckt, doch auch da muss man durch. Als das Selbstvertrauen endlich wieder zurück kam, dauerte es ein paar Wochen und danach konnte ich mich steigern. Und plötzlich hat es wieder hingehaut.

Wie sah es heuer in punkto Gewicht aus?
Ich musste sogar drauf achten, dass ich mein Gewicht halte, weil wir ja schwerer sein mussten. Das war ein Punkt, wieso ich so lange durchgehalten habe. Ich war den ganze Winter immer gesund und körperlich fit.

Welche Rolle spielt in so einer langen Saison mit vielen Höhepunkten der Kopf?
Der spielt bei uns Skispringer in jedem Fall durchweg eine ganz bedeutende Rolle. Doch so blöd es auch klingen mag: Aber wenn es rennt, dann rennt es. Dann geht alles ganz leicht von der Hand.

Sie wissen, wie es ist, wenn man alles dominiert oder wenn es einmal schlecht läuft und man rätselt, warum es nicht klappt. Inwiefern hat Sie das als Mensch geprägt?
Ich hab definitiv gemerkt, dass ich reifer und erfahrener geworden bin. Über den gestrigen Sprung hab ich mich brutal geärgert, aber nur kurz. Ich habe gelernt, Niederlagen einzustecken. Ich hake nun Dinge schneller ab, weil ich weiß, wie wichtig es ist, nach vorne zu schauen. Früher war das anders. Vielleicht gibt’s ab und zu ein paar graue Haare mehr, aber das ist nichts tragisches.

Nur dieses komplette Energiebündel "Krafti" von vor zwei Jahren vermisst man derzeit etwas.
Derzeit garantiert. Ich bin einer, der heuer nichts ausgelassen hat. Das geht an die Substanz, keine Frage. Irgendwann geht die Energie bei jedem zu Ende.

Es gibt nach dieser Saison zwei Trainerabgänge. Wie sehen Sie als Athlet diese Situation?
Wir müssen uns jetzt wieder neu aufstellen. Dass eine Umstrukturierung Zeit braucht, haben wir auch in diesem Winter gesehen. Aber schlussendlich haben sie alle eine tolle Arbeit geleistet. Verbesserungen gibt’s ja sowieso überall.

Nach dem heutigen Tag bleibt Zeit zum Verschnaufen. Wohin zieht es Sie in den Urlaub?
Mit der Freundin nach Bali.