Anstatt beim Staffelrennen der Herren am Streckenrand zu stehen, muss Markus Gandler, der Sportliche Leiter für Langlauf und Biathlon im ÖSV, die Folgen des Dopingskandals um die Langläufer Max Hauke und Dominik Baldauf aufarbeiten. "Es wird von Fall zu Fall schlimmer", sagte der 52-jährige Tiroler zum neuerlichen Dopingfall in seinem Verantwortungsbereich am Freitag im Gespräch mit der APA.
Gandler bekräftigte einmal mehr, als Betreuer könne man einen Sportler nicht rund um die Uhr kontrollieren, und erklärte, er werde in der Öffentlichkeit auch angepöbelt. Ohne Details zu nennen, deutete er an, dass die Betroffenen nicht erst vor der Heim-WM zu einer verbotenen Methode gegriffen haben.
Wie geht es Ihnen wenige Tage nach dem Schock über einen erneuten Dopingfall?
Gandler: "Es ist ein hartes Geschäft, wenn man nach wie vor mit solchen Sachen konfrontiert wird und es wird eigentlich von Fall zu Fall schlimmer. Es läuft noch immer wie in einem Film ab, trotzdem ist es die Realität. Das ist nicht in den Griff zu bekommen. Ich kann nur noch für mich reden und trotzdem noch die Hand über die Mannschaft halten, weil es nach wie vor Sportler gibt, auch wenn sie jetzt immer weniger werden. Es ist auch schwierig, die Mannschaft zusammenzuhalten, aber das ist die Aufgabe und dann die Aufarbeitung des anderen."
Was ist für Sie das Schlimmste an diesem Dopingskandal?
Gandler: "Es waren zwei Österreicher dabei, das sind zwei zuviel, die haben es zugegeben. Und keiner, und das ist das Tragische, keiner der beiden hat etwas aus der Vergangenheit gelernt. Das macht es noch einmal schlimmer. Salt Lake und Turin, was immer da war, waren in dem Sinn keine Dopingfälle, und dann hatten wir 2014 einen klaren Dopingfall und jetzt noch einmal. Die aktuellen Athleten waren 2006 rund 15 Jahre alt und in einem Erziehungsprozess, einer war in einer Schwerpunktschule, es gab viele Erziehungsprozesse und dann kommt das raus. Unglaublich."
Befürchten Sie, dass es weitere Probleme gibt?
Gandler: "Ich bin nicht besser informiert als andere. Man sagt immer, ihr müsst das doch wissen, ihr müsst es doch bemerkt haben. Ich kann hergehen und ihnen (den Athleten) ein GPS einbauen und schauen, wo wer wann war. Vier Sportler bereiten sich jetzt auf das nächste Wochenende vor, ich kann nicht immer bei ihnen sein, oder jemanden mitschicken. Wenn man das macht, dann muss man es sofort lassen. Das basiert auf Vertrauen. Ohne Vertrauen funktioniert keine Beziehung. Natürlich trage ich die Verantwortung, aber Unschuldige da hineinzuziehen, die müssen das alles gesehen haben, vor allem Gescheite aus der Szene, die in anonymen Foren etwas von sich geben ..."
Wie gelingt es, dass nun das Betreuerteam und die Skitechniker motiviert weiterarbeiten?
Gandler: "Die Staffelteilnahme machte keinen Sinn, ich muss der Truppe ein paar Tage zum Durchschnaufen geben. Sie testen ohnehin weiter, jetzt konzentrieren wir uns auf die vier Leute, die noch laufen. Ich habe es im Betreuerteam jedem freigestellt, einer ist fast geplant heimgefahren, weil es nur noch Skatingrennen gibt und der andere hat mich gebeten, 'ich kann nicht mehr, ich muss heim, ich schaffe es nicht mehr'. Das passt ja, bevor er hier zusammenbricht. Die Männer heulen und wenn einer draußen in der Welt sagt, das ist gespielt, dann haben die keine Ahnung vom Leben."
Haben sie nach der Freilassung schon mit Hauke oder Baldauf gesprochen?
Gandler: "Dazu will ich jetzt nichts sagen. Das ist einfach noch zu frisch."
Offenbar sind ja die zwei Österreicher und Esten und der Kasache nicht die einzigen, die in dieses Netzwerk verstrickt sind.
Gandler: "Das ist die Frage, was bedeutet der Ring wirklich? Mein Eindruck ist, das ist so dilettantisch. Das wird schon in anderen Sportarten auch gemacht worden sein, aber auf dem gleichen sportlichen Niveau wie die (Hauke, Baldauf, Anm.) waren. Also eigentlich, ich will keinem was wegnehmen, mittelmäßig. Aber die Supernamen werden da nicht dabeisein, denn ich kann mir nicht vorstellen, das sich jemand auf solche Dilettanten einlässt. Da muss es bei mir ja um Leben und Tod gehen, dass ich mich so einer Behandlung aussetze für den Sport. Das riskiert man ja alles, jede Infektion. Und das für Platz so und so, wo ich nicht einmal etwas verdiene."
Sie sprechen da die Bedingungen an bei der Bluttransfusion bei Hauke. Was sagen sie zur Veröffentlichung des Videos mit diesen Szenen?
Gandler: "Das erstaunt mich. Mir hat man das Video gezeigt von Null an. Zuerst habe ich die Polizei gesehen, die haben gesagt, wir sind vom BKA, darf ich ihnen etwas zeigen, können sie uns helfen? Ich habe mir gedacht, das gibt's ja nicht, das ist ja der Hauke, was läuft da ab. Natürlich helfe ich, obwohl ich Puls 200 habe, aber man muss auch die Mannschaft informieren. Das war Ausnahmezustand. Dass es publiziert worden ist, da muss man die Polizei fragen."
Sie haben bei der WM 2017 in Lahti mit Blick auf die Besten gefragt, wie soll man da herankommen?
Gandler: "Ich habe mit Trond Nystad gesprochen, der 25 Jahre Trainer war, in der Hochblüte der norwegischen Erfolge. Deswegen haben wir ihn auch geholt. Er sagt, das ist machbar. Lahti war sein erstes Jahr bei uns, ich habe ihn gefragt, können unsere Leute jemals so schnell laufen, sonst müssen wir etwas Anderes machen. Ich weiß, was schnell laufen heißt, das ist ein supergeiles Gefühl, ein paar Mal ist mir das gelungen. Das werden schon Ausnahmekönner sein, wir haben ja im Skifahren auch einen. Ich war so einer nicht. Aber ich hätte so etwas nie in Kauf genommen. Ich hätte meinem Großvater nicht in die Augen schauen können, der mich erzogen hat und mir Werte gelehrt hat. Das wäre unvorstellbar. Das hatten diese Burschen auch."
Spielt da auch der größere Druck bei einer Heim-WM eine Rolle?
Gandler: "Es geht ja leider nicht nur um die Heim-WM, das ist ja das Traurige. Mehr kann ich dazu nicht sagen."
Sie hatten ja ihren Abschied angedacht, jetzt passiert er unfreiwillig.
Gandler: "Kurios ist, ich habe meinen Abschied angekündigt, jetzt bin ich fast froh, dass das geschrieben worden ist, denn ich hätte mich genau an diesem Tag mit Hans Pum und Toni Leikam (ÖSV-Sportdirektor und Vizepräsident) zusammengesetzt, und hätte gesagt, man sieht ein kleiner Haufen von Langläufern ist da, ich bin voll bereit, diesen Neustart zu begleiten, aber vielleicht nicht mehr zu verantworten. Das war mein Plan. Aber jetzt ist alles anders. Jetzt können wirklich die, die hinten reingehaut haben und gesagt haben, der gehört weg, sich gerne melden und diesen Job machen. Und ich werde auch sie unterstützen. Es gibt so viele falsche Leute, auch in der Szene."
Hat es nach dem erneuten Dopingfall Reaktionen von Betreuern anderer Teams gegeben?
Gandler: "Ich war seither bei keinem Rennen. Ich hätte auch hier erwartet, dass sie uns irgendetwas hinhängen auf die Wachshütte. Das haben sie nicht gemacht. Das war gleich nach Sotschi in Lahti, da haben sie ein Schild hingehängt mit Doping. Wir haben seither ja wieder aufgebaut. Ich habe aber auch früher schon einmal gesagt, für Hauke und Baldauf tut es mir leid."
Aber auch als Dopingsünder sind sie Menschen ...
Gandler: "Man denkt an diese Menschen, aber über die anderen fährt man drüber. Sie haben niemanden umgebracht und wenn es das erste Mal wäre, würde ich sagen, jetzt hat es halt uns auch einmal erwischt. Aber 17 Jahre diese Scheiße und davon bin ich 15 Jahre dabei... Aber es passiert, es bleibt ein Teil meines Lebens. Ich weiß nur, dass ich nicht einmal in irgendeiner Form an etwas beteiligt war, immer an das Gute geglaubt habe. Wir haben immer Schwarze Schafe dabeigehabt, immer einen Grund geliefert. Österreich ist nicht 'a too small country to do good doping', das ist ein country, wo jeder gerne den anderen anpatzt."
Mit der Biathlon-WM wartet ja gleich das nächste Großereignis in ihrem Bereich. Werden Sie in Östersund dabeisein?
Gandler: "Da mus man mit dem Präsidenten reden. Ich habe jetzt diese WM und dann weiß ich nicht. Da möchte ich jetzt nichts dazu sagen. Jetzt machen wir das hier fertig. Die Biathlon-WM läuft auch ohne mich, ich bin ja nicht lebensnotwendig."
Haben Sie schon Pläne für die Zukunft?
Gandler: "Jetzt gilt es die WM fertigzumachen und sich der Öffentlichkeit stellen. Nicht nur der medialen, sondern auch auf der Straße. Es gibt Leute, die glauben, sie müssen den Starken spielen. Man wird auch angepöbelt. Da muss man jetzt durch."
Franz Egger/APA