Sie, Herr Schröcksnadel, trainieren regelmäßig. Sie, Herr Kasper, sind Kettenraucher.
Gian Franco Kasper: Gesundheitsbewusst bin ich auch. Ich muss rauchen, das ist wissenschaftlich bewiesen. Fragen Sie den Metzger: Welches Fleisch hält länger? Das geräucherte oder das frische?
Beide haben Sie viel Erfahrung. Trotzdem bringt Sie immer wieder etwas aus der Fassung. Etwa Sie, Herr Kasper, bei der WM-Eröffnungskonferenz. Es ging um Sex-Tourismus am nächsten Schauplatz des FIS-Kongresses in Pattaya.
Kasper: Nach der zehnten gleichen Frage in Bezug auf Pattaya war es zu viel. Es gab zu dem Thema in der FIS schließlich eine Abstimmung. Ich habe nicht überreagiert, das ist halb so schlimm.
Peter Schröcksnadel: Ich war auch gegen Pattaya, aber es gibt halt nicht viele Alternativen. Nationen müssen etwas anbieten, das tat Thailand. Wir sind eine Demokratie in der FIS, so einfach ist das. Das kann nicht der Präsident bestimmen.
Kasper: Dann dürfen wir auch nicht nach Hamburg gehen, die haben dort die Reeperbahn.
Was macht einen Präsidenten aus? Gehört Emotionalität dazu?
Kasper: Das ist sicher anders in einem nationalen Verband als im internationalen. 132 Nationen müssen unter einen Hut, das ist wie ein Sack voll Flöhe, das verlangt diplomatisches Geschick. Man muss einen Konsens finden, da bin ich als typischer Schweizer kompromissbereit.
Viele Präsidenten sind aus der Schweiz, etwa Ex-FIFA-Boss Sepp Blatter.
Kasper: Mit Sepp Blatter dürfen sie mich nicht verwechseln ...
Schröcksnadel: Ich bin der Sack mit den Flöhen. Ein FIS-Präsident muss versuchen auszugleichen, alle anderen können versuchen, ihre Interessen durchzubringen. Ich versuche, Druck zu machen, verstehe aber auf der anderen Seite: Wenn einer verlangt, dass der Elfmeter von neun Metern statt von elf geschossen wird – das geht nicht, man kann nicht dauernd die Regeln ändern, dann versteht keiner mehr den Sport. Das ist auch die Diskussion mit der alpinen Kombination: Will man die ersetzen durch City- oder Parallel-Events? Vor 15 Jahren wollte man den Super-G weghaben, dabei ist der die interessanteste Disziplin.
Kasper: Im Skisport ist es nicht wie in der Leichtathletik, wo wir Afrika und den Rest der Welt haben: Im Grunde genommen sind wir alle Bergbauern von der Mentalität, egal ob aus der Mongolei oder Südafrika. Bei uns sind die großen Skandale kaum vorhanden. Nach einer Meinungsverschiedenheit geht man ein Bier trinken und die Sache ist erledigt.
2009, als Peter Schröcksnadel den Europäischen Skiverband gründete, war die Balance am Kippen. Sie mögen sich?
Kasper: Klar. Und eine Kontroverse war es nicht, er wollte einen Gegenpol und Druck machen, das ist ihm nicht gelungen.
Schröcksnadel (lacht): Da hab ich mich lieber wieder integriert. Aber ich sage nach wie vor: Eine 2. Liga in Europa unter der FIS wäre wünschenswert.
Sie wollen beide noch eine Zeit im Amt bleiben.
Kasper: Ich wurde letztes Jahr für vier Jahre gewählt, behalte mir aber vor, zur Halbzeit zurückzutreten. Ich werde mich im Herbst dieses Jahres entscheiden. Wenn ich Lust habe, sehe, wie die Sache läuft. Irgendwann darf ich auch einen Tag freihaben.
Schröcksnadel: Bei mir ist es eine andere Situation. Der ÖSV ist eine andere Managementaufgabe, wir sind national gut aufgestellt und wollen Rennen gewinnen. Ich bin am Überlegen: Wie mache ich den Übergang? Wir haben ein sehr gutes System, ich habe Fulltime ohne Geld gearbeitet, so einen werden wir aber nicht mehr finden. Also muss man sich überlegen, wie man die Struktur verändern kann.
Sind auch Sie eingebunden in die Nachfolgefrage?
Kasper: Wenn ich will, ja, aber das will ich nicht, das sollen die anderen entscheiden. Es gibt drei, vier, die infrage kommen. Als sich Alexander der Große zurückgezogen hat, haben die Fürsten Krieg geführt, das wollen wir vermeiden.
Was schätzen sie aneinander?
Schröcksnadel: Wir haben eine Diskussionskultur.
Kasper: Und wir beide lieben den Skisport, das ist die Basis.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit? Peter Schröcksnadel gilt als Sturschädel.
Kasper: Natürlich ist er das und das ist gut so, das muss er sein. Aber er liebt den Sport wie ich.
Und Sie, Herr Schröcksnadel?
Schröcksnadel: Was ich am Anfang nicht geschätzt habe, schätze ich heute mehr. Ich habe nie verstanden: Warum verändert man nicht schnell etwas? Heute weiß ich, dass Schnellschüsse oft nach hinten losgehen. Und wenn man wartet, kommt oft ganz was anderes heraus. Und je mehr man Regeln verändert, umso undurchsichtiger wird es. Und da ist der Sprungsport für mich im Moment ein furchtbares Chaos.
Wie geht es mit Winter-Olympia weiter?
Kasper: Wir sind froh, dass wir für 2026 zwei sehr gute Kandidaten haben (Stockholm, Cortina/Mailand, Anm.). Langfristig muss uns klar sein, dass wir nicht in den Gigantismus hineinfallen, denn dann finden wir keinen mehr. Wir müssen keine Sportarten ausschalten, aber wir hatten zuletzt beim FIS-Kongress 15 Anträge auf weitere Bewerbe, das würde die Olympischen Spiele verdoppeln, da müssen wir aufpassen.
Wie enttäuscht waren Sie im Fall der gescheiterten Bewerbung Innsbrucks?
Kasper: Heutzutage ist es fast nicht möglich, das Volk zu überzeugen. Meine Heimatgemeinde St. Moritz stimmte während der Ski-WM ab – und 57 Prozent mit Nein. Und Liechtenstein wollte die Tour de Ski, einen Sprint-Event in der Stadt. Es ging um einen Tag – und man stimmte mit 60 Prozent dagegen, das sagt alles.
Warum müssen Eröffnungsfeiern opulent sein?
Kasper: TV-Stationen wollen das und die Feiern haben die größten Einschaltquoten, da ist der 100-m-Lauf nichts dagegen.
Schröcksnadel: Wenn es heißt, die WM in Lahti war billig und Seefeld nicht, hat das einen einfachen Grund: Gemeinde und Land wollen das Land herzeigen, das sind zwei Philosophien. Ich persönlich kann auch mit dem alten Bahnhof leben.
Kasper: Die Veranstalter machen die WM nicht wegen unserer blauen Augen, die wollen sich langfristig verkaufen. Wir sind eine Tourismuswerbeagentur, nichts anderes, ein Weltcup ist ein Werbeprodukt.
Wie stehen Sie zu Russland, das im Dopingbann steht?
Kasper: Ich hoffe, dass auf internationalem Weg eine Lösung gefunden wird. Ich war immer für harte Sanktionen gegen jeden, der schuldig ist, aber man kann einen Russen nicht disqualifizieren, weil er einen russischen Pass hat.