Ryoyu Kobayashi ist in dieser Saison der dominierende Mann auf den Schanzen und führt vor dem heutigen Kräftemessen am Bergisel (14 Uhr, ORF eins, live) auch die Tournee-Zwischenwertung mit 2,3 Punkten Vorsprung auf den Deutschen Markus Eisenbichler an. Für den Skisprungsport ist der überraschende Höhenflug des 22-Jährigen aus der Präfektur Iwate, genauer gesagt aus Hachimantai, natürlich ein Gewinn. Die Rechnung ist einfach: Je mehr Nationen um den Sieg mitmischen, desto größer das weltweite Interesse und desto mehr Geld fließt.
Aber auch im skisprungverrückten Japan lässt Kobayashi derzeit die Herzen höherschlagen. Kein Wunder, lechzt man im Land des Lächelns, wo zuletzt nur Schanzen-Methusalem Noriaki Kasai immer wieder aufzeigte, doch seit Jahren nach herausragenden Erfolgen. So trug sich mit Kazuyoshi Funaki der letzte und bisher einzige Japaner in der Saison 1997/98, also im Jahre Schnee, in die Siegerliste der Tournee ein.
Die Damen als Superstar
Anders verhält es sich da bei den Frauen: „Sara Takanashi ist bei uns in Japan ein Superstar und mit lukrativen Werbeverträgen ausgestattet“, weiß Chika Yoshida, FIS-Rennsportleiterin im Damen-Skispringen. Die Tournee werde natürlich auch in Japan live übertragen, „allerdings nur im Pay-TV“, sagt Yoshida. „Doch gibt es in Japan sehr viele sportbegeisterte Menschen, die dafür gerne zahlen.“
Über Weihnachten flog Kobayashi nach Hause und musste dort jede Menge Medientermine wahrnehmen. Dort wird der Überflieger auch mehr berichtet haben als hier während der Tournee. Da der sechsfache Saisonsieger kein Englisch spricht, fließen die Informationen nur spärlich. „Ryoyu ist ein sehr fröhlicher und lustiger Mensch, der die Musik liebt“, sagt Frau Yoshida. Will man Genaueres erfahren, stößt man aber auf eine Mauer. So sei es in Japan nicht üblich, nach persönlichen Dingen zu fragen. Und das wenige Übersetzte, das man vom neuen Skisprunghelden erhält, sind nur Floskeln à la „Ich trainiere einfach und höre wie die anderen Springer auch auf meinen Trainer“ oder „Es ist schön, dass auch mein Bruder hier dabei ist. Er ermutigt mich.“ Bekannt ist, dass Kobayashi Sohn eines Sportlehrers ist, drei ebenfalls Ski springende Geschwister hat, sich einen gebrauchten Porsche Cayenne gekauft und Gregor Schlierenzauer als Idol hat. Der Tiroler soll sich auch artig bei Kobayashi, der ursprünglich aus dem Lager der Kombinierer stammt, nach dessen erstem Weltcupsieg als Gratulant gemeldet haben.
Derzeit kann sich Kobayashi also im japanischen Rampenlicht sonnen und in rund einem Monat bei der WM in Seefeld in die Unsterblichkeit springen. Doch dann muss der Wintersport in Japan vorerst dem Sommer und Olympia weichen. Denn in Tokio laufen die Vorbereitungen auf die Sommerspiele 2020 bereits auf Hochtouren. „Diesen Sommer wird es einen Olympia-Testlauf geben. Japan freut sich auf die Spiele, die Menschen arbeiten hart“, sagt Chika Yoshida und hält es dabei wie Kobayashi: Sie sagt etwas, aber verrät eigentlich nichts.