Sie gelten als Österreichs großer Hoffnungsträger beim Heimskifliegen auf dem Kulm. Fühlen Sie sich bereit für diese Herausforderung?
STEFAN KRAFT: Definitiv. Die Taschen sind gepackt und wir konnten noch Trainingssprünge in Bischofshofen einschieben. Jetzt kann es losgehen.
Apropos Tasche – was nehmen Sie so alles zu einem Weltcupwochenende mit?
Meine Sprungtasche – das ist ein kleiner Rucksack. Und eine 20-Kilo-Reisetasche. Da ist eine Matte zum Dehnen, eine Blackroll und mein Sportgewand drin. Ich habe auch eine Jeans eingepackt, denn man weiß ja nie, wofür man die brauchen kann.
Wie wichtig war für Sie der vierte Platz beim Tourneefinale in Bischofshofen?
Extrem wichtig. Dass es da wieder so gut funktioniert hat, war zum richtigen Zeitpunkt eine Motivationsspritze. Von den sechs Sprüngen war der schlechteste ein vierter Platz – damit kann ich definitiv leben.
In der vergangenen Saison haben Sie sich zum Doppelweltmeister und Gesamtweltcupsieger gekürt. Was fehlt Ihnen heute noch, um wieder auf demselben Level zu stehen?
Das letzte Selbstvertrauen. Zwar waren meine Leistungen in den vergangenen Wochen auch im Training und der Qualifikation gut, doch habe ich sie nie in den Wettkampf rübergebracht. Ich suche noch dieses Gefühl, das dir sagt, dass du es absolut draufhast.
So eines, wie es gerade der polnische Tournee-Triumphator Kamil Stoch hat?
Genau. Vor der Vierschanzentournee war ich mit ihm noch auf Augenhöhe. Jetzt hat es den Anschein, als wäre er unschlagbar. Bei mir ist dieses Gefühl mit dem zweiten Sprung in Oberstdorf, wo ich meine Halbzeitführung verspielt habe, leider verloren gegangen. Aber ich merke, dass ich ihm mit jedem Trainingssprung wieder etwas näher komme.
Am Kulm steigt heute (12 Uhr, Anm.) mit der Qualifikation der erste Flug seit Planica 2017. Was macht den Unterschied zwischen Springen und Fliegen aus?
Man ist auf alle Fälle aufgeregter (lacht). Man hat in der Anfahrt und in der Luft viel mehr Zeit, der Radiusdruck ist viel größer. Am wichtigsten ist aber, dass man mit dem Gefühl arbeitet und versucht, dass alles stets in Geschwindigkeit bleibt. Denn jeder kleine Fehler kostet Speed, der einem dann unten im letzten Drittel des Fluges fehlt.
Mit 253,5 gestandenen Metern 2017 in Vikersund halten Sie den Weltrekord. Muss es da nicht Ihr Anspruch sein, auch den Kulm als Sieger zu verlassen?
Ich sehe mich auf alle Fälle in der Rolle des Mitfavoriten. Aber Stoch hat in der Vergangenheit gezeigt, dass er auch fliegen kann. Er ist auch bereits auf über 250 Meter gesegelt. Doch ich hoffe natürlich, dass mir das Heimpublikum einen zusätzlichen Schub gibt.
Kann es am Kulm einen neuen Weltrekord geben?
Das glaube ich nicht. Aber wenn die Voraussetzungen passen, kann es schon bis zum Schanzenrekord von 244 Metern gehen. Dafür müsste die Jury aber mehr Anlauf geben. Zuletzt hat sie sehr mit den Luken gespart. Ich hoffe, das ändert sich am Kulm.
Können Sie schildern, was Ihnen während Ihres Weltrekordfluges durch den Kopf gegangen ist?
Bei 50 Metern habe ich mir gedacht: Ui, das geht dahin. Bei 150 Metern habe ich mir gedacht: Das ist die Chance auf den Weltrekord. Gib Vollgas! Und bei 200 Metern habe ich mir dann gedacht: Bitte, lass mich den Sprung unbedingt stehen!
Der Kulm ist auch die Generalprobe für die nächstwöchige Skiflug-WM in Oberstdorf.
Ja, eine perfektere Vorbereitung gibt es nicht.