Der Start in die heurige Saison sah noch vielversprechend aus. Beim Auftakt in Wisla holte Stefan Kraft im Einzel einen dritten Platz, im Team flogen die "Adler" von Cheftrainer Heinz Kuttin auf den zweiten Rang. Doch täuschte dieses verheißungsvolle Ergebnis über die Gesamtverfassung der rot-weiß-roten Springer-Garde hinweg.
Vor allem die Verletzungen der Leistungsträger Michael Hayböck und Gregor Schlierenzauer kurz vor dem Saisonstart konnte das Gesamtgefüge der Mannschaft nicht verkraften. Und die Hoffnung, dass sich die beiden Springer über den Wettkampf an ihre Topform herantasten würden, bestätigte sich nicht. Wenig überraschend, wird dieser Weg doch seit Jahren als der Falsche gepredigt. Eine Form kann man nur im Training aufbauen, doch war das mitten im Weltcup, wo es jedes Wochenende Schlag auf Schlag geht, kaum möglich.
Dass sich Stefan Kraft im weiteren Verlauf der Saison von den schwachen Leistungen seiner Kollegen anstecken ließ, überrascht ebenso nicht. Obwohl sich der Salzburger in der vergangenen Saison zum Doppel-Weltmeister und Gesamtweltcupsieger kürte, konnte er mit dem Druck, die gesamte Mannschaft als Alleinunterhalter mit seinen Ergebnissen "über Wasser zu halten", verständlicherweise auf Dauer nicht umgehen.
Der größte Gegner
Und wenn es einmal beim Skispringen nicht nach Wunsch läuft, dann nistet sich bei den Athleten der größte Gegner in den Köpfen ein. Nämlich das Nachdenken über das Warum. Damit befinden sich Österreichs "Adler" kollektiv in einem Teufelskreis: Es läuft nicht und man denkt darüber nach - eine tödliche Mischung bei der Weitenjagd. Nicht umsonst heißt es, dass Springer, die sich im Flow befinden, vor allem dadurch punkten, sich über ihren Sprung nie Gedanken machen zu müssen - es funktioniert ganz einfach von selbst.
Mit der Krise ist natürlich auch die Lockerheit verloren gegangen - diese gilt es für die Österreicher nun als erstes wieder zurückzugewinnen. Kein leichtes Unterfangen für Kuttin, der aufgrund der schwachen Ergebnisse selbst bereits gehörig unter Druck geraten ist und zu allem Überfluss auch noch regelmäßig von seinem Vorgänger Alexander Pointner an den Pranger gestellt wird.
Das Problem: Zeit, um eine Trendwende einzuläuten, ist kaum vorhanden. Denn es geht Schlag auf Schlag. Am Samstag steigt das Tourneefinale in Bischofshofen, das Wochenende darauf das Skifliegen am Kulm. Eine weitere Woche später wartet die Skiflug-WM in Oberstdorf, ehe schon die Winterspiele in Pyeongchang vor der Tür stehen.
Aber: So komplex die Sportart Skispringen auch ist, gibt es einen großen Hoffnungsschimmer: Nur das kleinste Erfolgserlebnis reicht, damit sich im Kopf des Athleten der Knopf löst und er plötzlich wie selbstverständlich einen Topsprung nach dem nächsten in den Auslauf zaubert. Somit ist bei den "Adlern" und ihren Fans jetzt eines ganz wichtig: Geduld!