Heute geht Teresa Stadlober ins 10-Kilometer-Rennen. Was erwarten Sie sich von Österreichs aktuellem Langlauf-Aushängeschild?
TROND Nystad: Das mit den Erwartungen ist schwierig. Aber Teresa hat schon im Skiathlon bewiesen, dass sie in die Top zehn laufen kann. Schafft sie das wieder, wäre das eine sensationelle Leistung.
Wie groß ist bei ihr noch der Schritt bis hin aufs Podest?
Schaut man auf die Ergebnislisten, dann sind es meist eineinhalb bis zwei Minuten. Also schon noch ein gewisses Stück. Aber wenn alles passt, ist auch alles möglich. Man braucht es nur mit den Amerikanerinnen vergleichen. Ich war früher US-Trainer und da waren wir mit Top-30-Ergebnissen zufrieden. In Falun haben sie dann zwei Medaillen geholt und hier in Lahti auch bereits. Wenn man Geduld hat und hart arbeitet, ist alles möglich. Außerdem ist Teresa mit 24 Jahren noch jung.
Wie groß ist der Einfluss des ÖSV auf Stadlobers Training? Ist man da mit Vater Alois auf einen grünen Zweig gekommen?
Ich weiß nicht, wie grün der Zweig früher war, aber wir arbeiten gut zusammen. Wir haben ein System gefunden, das funktioniert. Und das ist das Wichtigste. Wer dahintersteckt, ist mir egal. Es gibt drei Buchstaben, die hinter einem Namen stehen – und das hat oberste Priorität. Außerdem wäre es dumm, wenn sie nicht das sportliche Wissen ihrer Familie nutzen würde.
Vor ein paar Monaten sagten Sie, im Langlauf kochen zu viele ihr eigenes Süppchen. Hat sich daran etwas geändert?
Nein. Ich bin der Meinung, Training ist sehr einfach. Das Schwierige ist nur, dass man es tun muss. Wenn Trainer behaupten, sie haben ein Erfolgsrezept entdeckt, dann stimmt das meistens nicht. Es gibt keinen Gurutrainer. Es gibt nur Leute, mit denen du eine gute Beziehung haben kannst, gut mit ihnen diskutieren und gute Entscheidungen treffen kannst. Man muss hart trainieren, viel trainieren und über einen längeren Zeitraum trainieren.
Österreichs Herren stellen in Lahti keine Staffel, obwohl genügend Läufer vorhanden wären. Warum der Verzicht?
Das ist eine philosophische Frage. Sind wir nur hier, um dabei zu sein? Dann sollen auch Exoten in der Staffel starten. Wir haben aber höhere Ansprüche und wollen etwas bewirken. Als ich Trainer in den USA war, sind wir in der Staffel überrundet worden. Da tut man keinem einen Gefallen. Wir haben momentan keine Mannschaft, die vorne dabei sein kann.
Sportdirektor Markus Gandler sagt, wir hätten mit Stadlober und Tritscher derzeit nur zwei konkurrenzfähige Athleten.
Sagen wir so: Es fehlen die entsprechenden Leistungen. Gründe dafür gibt es viele. Wir haben zu wenige Athleten, die diesen Sport betreiben. Und ohne Massensport gibt es auch keine Spitzensportler. Ich komme aus Norwegen, da haben wir eine ganz andere Langlaufkultur. Wenn ich ein gutes Wachs suche, frage ich meine Oma. Jede Oma in Norwegen weiß, wie man wachselt. Das ist bei uns normal. In Österreich ist eben Skifahren wichtig. Einige Eltern hier in Österreich haben mich gefragt, ob man mit Langlaufen Geld verdienen kann. Dabei sollte Geld keine Rolle spielen. Wichtig ist vielmehr die Leidenschaft für den Sport. Man muss lange und viel trainieren – und das ohne die Garantie, dass man am Ende mit Geld dasteht. Es gibt Studien in den USA, die besagen, dass maximal 0,5 Prozent der Athleten irgendwann Geld mit ihrem Sport verdienen werden. Das heißt, wir würden im österreichischen Langlauf 200 Athleten brauchen, damit einer davon Geld verdient. Aber wir haben gar keine 200.
Bremst Österreichs Wohlstand die Spitzensport-Entwicklung?
In Norwegen geht es den Menschen auch nicht schlecht. Es gibt viele Länder, die Geld und Erfolg haben. Es geht viel mehr um die gelebte Langlaufkultur. Die kann man nicht kaufen.
Hat Österreichs Langlauf unter den vielen Dopingfällen gelitten?
Sicher! Es ist leider so, dass manche Menschen alles machen, um gut zu sein. Wir erwarten etwa, dass Österreich Medaillen gewinnt. Aber das ist unrealistisch. Wenn man jedoch diesen Druck auf Athleten ausübt, gibt es vielleicht manche, die deshalb zu illegalen Mitteln greifen. Dabei ist Training der beste Weg zum Erfolg.
Warum sollte ein Kind mit dem Langlaufen beginnen?
Für mich ist es so, dass ich Langlaufen genieße. Ich habe das als Kind gemacht und kann es immer noch machen. Es gibt wenige Sportarten, für die das gilt. Es ist ein Sport fürs Leben. Es macht mir Freude, in der Natur zu sein. Dazu kommt der Fitnessaspekt. Wir haben das Problem, dass sich unsere Kinder zu wenig bewegen.
Wie viele österreichische Langläufer werden bei der Heim-WM 2019 in Seefeld starten?
Bis dahin ist noch Zeit. Wir müssen einen Schritt nach dem anderen setzen, aber es werden keine Wunder passieren.
Wie lautet die ÖSV-Vorgabe?
Ich habe keine Vorgabe bekommen. Man hat gesagt, ich soll mir ein eigenes Bild von der Situation machen. Ich denke, oberstes Ziel ist es, mehr Menschen zum Langlaufen zu bringen und sie auch beim Sport halten zu können. Aber ein starkes Team mit zehn Topathleten werden wir nie haben. Wir müssen auf Einzelne setzen.
Glauben Sie, dass die WM hier in Lahti von Dopingfällen verschont bleiben wird?
Glauben – was heißt das? Ich hoffe es. Ich bin seit 1994 Trainer und in der glücklichen Lage, noch nie etwas von Doping gesehen zu haben. Ich bin überzeugt, dass man auch ohne Doping gut werden kann. Doping macht den Sport kaputt.
Wird gegen Doping genug unternommen?
Macht man genug gegen Steuerbetrug? Was ist genug? Steuerbetrug wird akzeptiert, solange man nicht erwischt wird. Ich hoffe, dass es im Sport nicht so weit kommt. Es ist eine Einstellungssache. Ich war ein schlechter Langläufer, hatte nie Erfolg. Doch wäre ich heute glücklicher, wenn ich beschissen hätte und dadurch Erfolg gehabt hätte? Definitiv nein!
Wie tief hat der Dopingfall Johaug die norwegische Langlaufseele getroffen?
Es war ein Schock. Johaug ist erfolgreich, hübsch und beim Volk sehr beliebt. Es war aber in ihrem Fall eine medizinische Fehlbetreuung. Sicherlich ist sie schuld. Aber sie hat nicht mutwillig gedopt. Sie hat Rennen mit einer Minute Vorsprung gewonnen. Warum sollte sie also dopen? Um mit zwei Minuten Vorsprung zu gewinnen?
Alexander Tagger aus Lahti