Es gibt für Skispringer genügend Gründe, gerne nach Bad Mitterndorf und an den Kulm zu fliegen. „Mir fallt jetzt kein Skispringer ein, der nicht gerne fliegt“, sagt Michael Hayböck. Und kommt dann doch zum Tschechen Jakub Janda. „Der ist nicht schnell geworden, dem hat Fliegen keinen Spaß gemacht“, sagt der Oberösterreicher. Er selbst ist leidenschaftlicher Flieger. Nach den ersten beiden Wettkampftagen am Kulm liegt er auf der 8. Position – und darf vorsichtig Richtung Medaille schielen.
Bei aller Unzufriedenheit: „Das war eigentlich nix“, sagt der Oberösterreicher. Unterstützung kommt vom Zimmerkollegen: „Ich hab ihn beobachtet: Er hat noch keinen getroffen. Und er wird noch einen treffen und dann fliegt er auch hinunter“, sagt Medaillenkandidat Stefan Kraft. 2020 bei der Skiflug-WM in Planica hat Hayböck als Vierter das Podium nur knapp verpasste. 2016 am Kulm ist er mit der Mannschaft bereits WM-Dritter gewesen.
Dass Hayböck den Bakken in der Steiermark als „magisches Platzerl“ bezeichnet, liegt aber nicht an dieser Bronzemedaille. 1996 hat er auf den Schultern von Papa Hayböck dem Weltmeister Andreas Goldberger zugejubelt. „Das war die Initialzündung, dass ich selbst auch Skispringer geworden bin“, sagt Hayböck, wie Goldberger ein Oberösterreicher. Hayböck hat auch seinen ersten Flug am Kulm gemacht. „Ich bin als Vorflieger gleich über 200 Meter geflogen“, erinnert er sich.
Und es war nicht der einschneidenste Moment: Ausgerechnet an diesem Tag hat Hayböck in Bad Mitterndorf seine Frau kennengelernt. Bei der Liftfahrt nach oben ist es zum ersten Gespräch gekommen. „Ich komme da so gerne her, es ist so ein schönes Platzerl“, sagt Hayböck.
Aber eben auch, weil am Kulm eine Skiflugschanze steht. „Es gibt so viele faszinierende Dinge am Skifliegen“, sagt Hayböck. Auch, dass Skifliegen nur im Rahmen von Wettkämpfen erlaubt ist und nicht auf der Schanze trainiert werden kann, „sondern nur, wenn es um die Wurst geht. Das ist etwas Besonderes. Deswegen ist Skifliegen keine Routine und wird es auch nie werden.“ Als begnadeter Flieger hat Hayböck auch keine Angst, wenn es von den größten Schanzen der Welt geht. „Respekt ist aber da. Vor allem dann, wenn die Bedingungen schwierig sind“, sagt der 32-Jährige. „Am Abend merkst du erst, was Skifliegen mit einem anrichtet. Da ist man dann wirklich kaputt.“ Von den größten Schanzen ist eben alles intensiver: Die Geschwindigkeit, der Druck, die Höhe. „Ein Marathonläufer denkt sich vielleicht: ‚Was ist mit euch – einmal runterfahren.‘ Aber dem ist nicht so.“
„Dann wird jeder weitengeil, dann wird es gefährlich“
Trainingsflüge zu ermöglichen, hält Hayböck aber für den falschen Zugang. „Wenn du oben stehst und dir selber aussuchen darfst, auf welchem Balken du wegfährst, wird es schwierig. Dann wird jeder weitengeil, dann wird es gefährlich. Es muss genau überwacht werden.“ Dass es Überlegungen gibt, den Weltrekord nach oben auszureizen und dementsprechend Umbauarbeiten an den größten Schanzen der Welt vorzunehmen, kann Hayböck nachvollziehen. „So, wie sich das Material verhält, wäre es kein Problem, wenn der Hang noch weitergeht“, sagt Hayböck. „Damit das Interesse hoch bleibt, sind solche Entscheidungen notwendig.“
Auch, dass vonseiten des FIS-Renndirektors Sandro Pertile auch laut über spektakuläre Veranstaltungen an außergewöhnlichen Orten nachgedacht wird: New York, das Maracana-Stadion, Dubai. „Alles gut. Aber als aktiver Skispringer erlebe ich das nicht mehr. Noriaki Kasai mache ich keinen“, sagt Hayböck. Schade. Der Japaner setzte sich 1992 bei der Skiflug-Weltmeisterschaft in Harachov durch. Und setzte sich am 11. Jänner 2014 beim Weltcup-Skifliegen am Kulm durch. Der vorletzte Weltcup-Sieg des Japaners – er war 41 Jahre alt. Älter war bei einem Skiflug-Triumph niemand.