Sie erfüllen sich den Traum vom Fliegen und nehmen dafür hohes Risiko in Kauf. Der Slowene Peter Prevc ist jener Mensch, der am 16. Jänner 2016 bei der damaligen WM am Kulm mit zwei Brettern an die Schuhe geschnallt mit 244 Metern den bis dato weitesten Satz auf dem mächtigen Bakken zwischen Bad Mitterndorf und Tauplitz stehen konnte. Ab Freitag (14 Uhr, ORF 1 live) startet im steirischen Skiflug-Mekka mit den ersten beiden Durchgängen der Einzelkonkurrenz der Kampf um weltmeisterliches Gold. Um ein besseres Verständnis für die waghalsige Arbeit der Weitenjäger zu bekommen, hat uns der Gesamtweltcupvierte Jan Hörl zum Aufwärmen auf einen seiner Flüge mitgenommen. Also, bitte: Einsteigen, anschnallen – los geht‘s!
In zehn Minuten ist der Salzburger mit seinem Flugversuch an der Reihe und befindet sich im Aufwärmraum. „Dort haben wir einen Fernseher und beobachten die anderen Springer. Da läuft noch der Schmäh und man geht im Kopf noch einmal das Profil der Schanze durch. Also Radius, Anlauf, Neigung. Der Radius ist hier etwas stärker, das erzeugt mehr Druck – da muss man stabil durchkommen.“ Richtig fokussiert auf den Sprung ist der 25-Jährige aber erst, wenn er auf dem Zitterbalken Platz genommen hat. „Da arbeitet man all das, was man zu tun hat, noch einmal im Schnelldurchlauf ab. Dann auf das Zeichen des Trainers warten, den Kopf abschalten und runter geht‘s.“
Suchtpotenzial nach dem ersten Sprung
Die ersten Flüge seien immer mit Respekt verbunden. „Es ist ja eine Skiflugschanze – da ist alles schneller, höher und weiter“, sagt Hörl. „Nach dem ersten Sprung will man aber sofort wieder rauf, weil es einfach ein geiles Gefühl ist.“ Beim Flug selbst würde alles sehr schnell gehen, sei doch grundsätzlich nichts anderes zu machen als auf einer Großschanze: „Man muss den Flug nur etwas aggressiver anspringen und mehr auf Speed gehen. Das heißt, man legt den Schwerpunkt mehr nach vorne und lässt sich mit viel Selbstvertrauen raus.“ Die Formel lautet: Je flacher der Ski hinausläuft, desto schärfer war der Absprung. „War der Absprung richtig schneidig, kann man entsprechend auf Speed gehen.“ Und das sei beim Skifliegen das Um und Auf: „Man darf oben nicht an Geschwindigkeit verlieren, weil man sie dann unten braucht, um im letzten Drittel nochmals an Höhe und Weite zu gewinnen.“
Jan Hörl – Olympiasieger, Partytiger und Grillmeister
Das Element Luft sei laut dem Pongauer extrem spannend. „Man muss aerodynamisch sein, mit den Ski eine möglichst große Angriffsfläche bilden. Der Rest passiert dann von alleine. Und wenn du wirklich auf der Welle bist, ist es der reine Genuss“, schwärmt Hörl, der versichert, dass man beim Skifliegen die Bindung weit öfter kontrollieren würde, als beim Skispringen. Schon beim Vorbau würde ein Springer wissen, ob es weit gehen würde oder nicht. Geht es weit, müsse man den Mut haben, den Sprung voll durchzuziehen. „Da gilt dann mein Motto ‚Sieg oder Sarg‘“, lächelt Hörl, der in Kulm natürlich auf dem Podest aufsetzen will. „Aber ich bin nicht ergebnisorientiert, sondern schaue einfach, dass ich meine sieben Zwetschken beieinander habe.“
Gewonnene Erkenntnisse im Windkanal
Im Skisprung-Zirkus sei das Skifliegen nicht jedermanns Sache. „Ich habe vor zwei Jahren diesbezüglich einen großen Schritt gemacht. Und die Windkanaltests vergangenen Sommer in Stockholm haben mir auch sehr geholfen“, betont Hörl, dessen persönliche Bestweite bei 232,5 Metern liegt (Planica 2022) und der bei seiner vorjährigen Kulm-Premiere gleich zweimal auf Platz fünf gelandet ist. „Daher bin ich sehr zuversichtlich und freue mich, wenn es heute losgeht.
Bleibt noch die Frage, was einem während eines Fluges durch den Kopf gehen würde. Dinge wie „Mist, ich habe vergessen, für die Oma den Rasen zu mähen“, seien es auf alle Fälle nicht. „Ganz ausschalten kann man den Kopf während eines Fluges nicht. Man arbeitet die Punkte ab, die man zu tun hat. Es gibt aber kein bewusstes Eingreifen, der Körper reagiert da aus dem Unterbewusstsein heraus und steuert den Flug.“ Die rund acht Sekunden in der Luft würden sich wie zwei anfühlen. „Im Kopf passiert da nicht viel. Nur wenn beim Flug die Post abgeht, denke ich mir: ‚Hey, geil!“