Was macht ein österreichischer Skispringer, wenn er beim Finale der Vierschanzentournee in Bischofshofen keine Chance mehr auf den Gesamtsieg hat? Richtig, dann gewinnt er eben das Dreikönigsspringen und überstrahlt damit zumindest aus rot-weiß-roter Sicht den Ausgang der Gesamtwertung. Stefan Kraft gelang dieses Bravourstück im Pongau nur wenige Kilometer von seinem Geburtsort Schwarzach entfernt. Der Salzburger sicherte damit beim 72. Vierschanzen-Spektakel hinter dem Japaner Ryoyu Kobayashi und dem Deutschen Andreas Wellinger nicht nur den dritten Endrang ab, sondern baute mit seinem bereits sechsten Saisonsieg auch die Führung im Gesamtweltcup auf die Konkurrenz aus.
„Unglaublich, dass ich das zu Hause vor so vielen Fans geschafft habe“, jubelte Kraft im Auslauf des Paul-Außerleitner-Bakkens. „Ich bin nur glücklich. Dafür trainiert man. Das ist pures Adrenalin, Glücksgefühle bis zum Gehtnichtmehr. Der Sieg daheim entschädigt für alles. Ich habe so lange darauf gewartet, dass das einmal passiert.“ Dass er den angepeilten, zweiten Tournee-Gesamtsieg nach 2014/15 verpasst hat, wurmte den 1,70 Meter kleinen „Schanzen-Floh“ hingegen kaum: „Ganz bin ich nicht in den Flow gekommen, in Garmisch und Innsbruck hat mir das Quäntchen Glück gefehlt. Die Sprünge waren aber alle sehr okay, ich muss mit dem dritten Platz zufrieden sein.“
Der Kommentar zum Tournee-Finale
Das berauschende Gefühl eines Heimsiegs konnte Kraft noch nicht oft auskosten – zwar war es insgesamt sein bereits 36. Tageserfolg, aber der erst zweite auf rot-weiß-roter Erde nach Bad Mitterndorf 2020. Mit seinen 36 Siegen ist der dreifache Einzel-Weltmeister in der von Gregor Schlierenzauer (53 Weltcuperfolge) angeführten, ewigen Bestenliste gemeinsam mit der finnischen Legende Janne Ahonen bereits die Nummer fünf.
„Super Tournee mit einem super Mannschaftsergebnis“
Aber nicht nur Kraft, auch seine Teamkollegen konnten bei der Tournee begeistern. Innsbruck-Sieger Jan Hörl beendete das Spektakel als Vierter, Michael Hayböck, in Innsbruck als Dritter auf dem Stockerl, wurde Gesamt-Sechster, Clemens Aigner überraschte als Achter. Auch Routinier Manuel Fettner zeigte mit zwei vierten Plätzen in Garmisch und Bischofshofen auf. Kein Wunder also, dass sich Cheftrainer Andreas Widhölzl über eine „super Tournee mit einem super Mannschaftsergebnis“ freute. Im Nationencup führt Österreich wieder deutlich vor Deutschland, die Zuversicht im rot-weiß-roten Team ist auch mit Blick auf die Skiflug-WM am Kulm ab 25. Jänner groß.
Auch dort darf freilich vor allem mit Kraft als Weltrekordhalter (253,5 Meter) gerechnet werden. „Skifliegen ist wieder etwas ganz anderes. Aber die WM kommt für mich zur richtigen Zeit.“ Zuvor geht es aber noch im Weltcup weiter. Nach ein paar Tagen Pause steht für die Weitenjäger mit Wisla (13./14. 01.), Szczyrk (16./17. 01.) und Zakopane (20./21. 01.) die Premiere der Polen-Tour auf dem Programm. „Das wird noch sehr anstrengend. Aber mein Fokus liegt schon auf der WM, daher werde ich in Polen nicht über das Limit gehen“, sagt Kraft.
Vier x 2 = 1
Für Kobayashi, der viermal auf dem zweiten Platz landete und damit die größte Konstanz im Fliegerfeld bewies, war es der dritte Tourneesieg nach 2018/19 (Grand Slam) und 2021/22. Erstmals seit Ahonen 1998/99 gelang ihm das Kunststück, die Tournee ohne Tagessieg für sich zu entscheiden. In der ewigen Tournee-Bestenliste liegt Kobayashi damit hinter Ahonen (5 x Erster/3 x Zweiter/2 x Dritter), Jens Weißflog (4/4/1) und Björn Wirkola (3/2/1) mit Kamil Stoch und Helmut Recknagel (jeweils 3/0/0) auf dem geteilten vierten Rang. Kobayashi kurz und bündig: „Ich bin glücklich.“