Auf geht’s in die dritte Runde! Nach Oberstdorf und Garmisch macht die 72. Vierschanzentournee heute (13.30 Uhr, ORF 1 live) am Innsbrucker Bergisel Station. Die Frage aus rot-weiß-roter Sicht lautet: Können die ÖSV-Adler das Führungs-Duo Andreas Wellinger und Ryoyu Kobayashi noch abfangen? In der Qualifikation, die am Ende von starkem Wind geprägt war, landete Stefan Kraft hinter Garmisch-Gewinner Anze Lanišek und vor Kobayashi auf Platz zwei. Daniel Tschofenig gelang nach zuletzt mäßigen Ergebnissen mit Platz vier ein möglicher Befreiungsschlag, Jan Hörl wurde Fünfter, Manuel Fettner Zehnter. Insgesamt sind heute acht Österreicher bei der Springer-Party dabei.
Während Österreich, Deutschland, Slowenien und der Japaner Ryoyu Kobayashi seit Saisonbeginn die Podestplätze unter sich ausmachen, taumeln derzeit mit Norwegen und Polen zwei Skisprung-Großnationen durch eine schwere Krise. Tournee-Titelverteidiger Halvor Egner Granerud verpasste sowohl in Oberstdorf als auch in Garmisch das Finale der besten 30 – eine Katastrophe für das Team des österreichischen Cheftrainers Alexander Stöckl, wo aktuell nur Marius Lindvik konkurrenzfähig ist. Nicht besser steht es um die Polen: Die „Goldene Ära“ mit Kamil Stoch, Dawid Kubacki und Piotr Zyla hat ein nahes Ablaufdatum, Aleksander Zniszczol wurde auf dem Olympia-Bakken als 21. „Bester“ der Mannschaft von Thomas Thurnbichler. Der Tiroler hat sich knapp vor dem Tourneestart von Co-Trainer Marc Nölke getrennt und ihn durch Wojciech Topor ersetzt.
Bitte um Geduld
Während sich Stoch (er ist als 20. derzeit Polens Bester in der Tournee-Gesamtwertung) bereits nach dem Weltcup in Lillehammer entschuldigend an die skisprungverrückten Polen gewendet hat („An dieser Stelle bitte ich die Fans, geduldig zu sein und an uns zu glauben“), ist bei den Norwegern so richtig Feuer am Dach. Dass Kombinierer Jörgen Graabak öffentlich gegen seine skispringenden Landsleute stichelte (er empfahl in provokanter Manier, Jarl-Magnus Riiber im Spezialspringen einzusetzen), fällt definitiv in die Kategorie „unnötig“. Weit schwerwiegender ist aber die finanzielle Krise, mit der sich der norwegische Skiverband herumschlagen muss. Trotz all der Erfolge schrieb die Skisprungsparte der „Wikinger“ 2023 ein Minus von rund einer Million Euro.
Zudem wurde den Weitenjägern das Budget gekürzt. Für Skisprung-Sportdirektor Clas Brede Braathen eine Katastrophe: „Das ist unverantwortlich und ungerecht. Wir befinden uns am absoluten Existenzminimum und können so unsere Vision, die beste Springernation der Welt zu sein, nicht erfüllen“, polterte der Funktionär bereits zu Saisonbeginn im norwegischen Fernsehen. So stand bei den Skandinaviern bereits im Raum, aus Kostengründen ein paar Weltcupstationen auszulassen. Braathen wiederum wirbt mit der Idee, dass sich die Skisprung-Sparte vom norwegischen Dachverband abspalten und selbst finanzieren soll.
Änderungen im Regelwerk
Doch der chronische Tiefflug der Polen und Norweger dürfte vor allem einen Auslöser haben: die Änderungen im Regelwerk. Um im Body-Mass-Index von 21 und damit bei der optimalen Skilänge bleiben zu können, mussten die Springer ein bis zwei Kilogramm zunehmen. Zudem wurden die zuletzt vor allem im Schritt oft extrem aufgeblähten Anzüge beschnitten, die Standhöhe inklusive Ski unter der Ferse um zwei Zentimeter verringert und die Materialstärke der gebräuchlichen Wadenkeile im Sprungschuh reduziert. Viele Neuerungen, die den bis dato erfolgreichen Ablauf eines Sprungs völlig aus der Bahn werfen können und zugleich athletischeren und größeren Athleten mehr Chancen eröffnen.