Auf die Enttäuschung vom Vortag ist bei den ÖSV-Skispringerinnen grenzenloser Jubel gefolgt. Daniela Iraschko-Stolz, Sophie Sorschag, Chiara Hölzl und Marita Kramer eroberten am Freitag bei der Nordischen Ski-WM in Oberstdorf Gold im Teambewerb. Das Quartett setzte sich in einer spannenden Entscheidung 1,4 Punkte vor Slowenien durch. Kramer, am Vortag enttäuschte Vierte, war die überragende Springerin, sie katapultierte ihre Mannschaft auf den ersten Platz.
Was den Gastgebern vor zwei Jahren in Seefeld versagt geblieben war, schaffte die Mannschaft von Cheftrainer Harald Rodlauer gleich am zweiten Wettkampftag der 53. Titelkämpfe. Kramer hatte am Donnerstag nach dem vierten Rang Tränen vergossen, 24 Stunden später führte sie das Team sogar zum Sieg, zur ersten ÖSV-Medaille im Allgäu.
Als Schlussspringerin sorgte die 19-jährige Salzburgerin mit 102,5 m für die Bestweite im ersten Durchgang und für den Vorstoß ihres Teams vom dritten Rang an die Spitze. Danach übernahmen wieder die Sloweninnen mit Weltmeisterin Ema Klinec, Weltcup-Spitzenreiterin Nika Kriznar, Urska Bogataj und Spela Rogelj trotz Steigerungen der weiteren Österreicherinnen im Finale die Führung.
Doch Kramer machte in der für sie so wechselvollen Saison - auf drei Saisonsiege folgte Disqualifikation sowie Startverbot wegen eines falsch positiven Coronatests - an diesem Tag den Unterschied aus. Die gebürtige Niederländerin aus Maria Alm steckte die Ereignisse des Vortags weg, als sie als Halbzeit-Führende nach einer unmittelbar vor ihr erfolgten Anlaufverkürzung Edelmetall auch durch einen nicht optimalen Sprung vergeben hatte und nur Vierte geworden war. "Ich ziehe den Hut vor ihr und bin stolz, dass ich Trainer dieses Teams bin", sagte Rodlauer mit Tränen in den Augen im ORF-Fernsehen.
"Ich habe mir noch rasch Nerven bestellt", scherzte Kramer nach der knappen Entscheidung. Sie hatte im Finale 104 m vorgelegt, Klinec ließ nur 95,5 m folgen und dann standen die acht Springerinnen gespannt im Auslauf. Das Pendel schlug diesmal zugunsten der Österreicherinnen aus, nach Silber bei der Premiere dieses Bewerbs 2019 in Seefeld triumphierte die ÖSV-Mannschaft sensationell. "Mein Sprung war echt sehr cool, ich habe probiert, ihn gut reinzusetzen", erklärte Kramer. Für die Athletin des SK Saalfelden war es ein Wechselbad der Gefühle. "Gestern so bitter und heute so cool. Unglaublich!"
Zwei Routiniers und zwei Debütantinnen ergaben an diesem Tag eine perfekte Mischung, sie setzten sich vor Slowenien und 17,2 Punkte vor Norwegen durch. Titelverteidiger Deutschland blieb nur Rang vier. Iraschko-Stolz, Einzel-Weltmeisterin von 2011, wurde im Herbst ihrer Karriere nochmals mit Gold belohnt. Diese Medaille hat enormen Stellenwert für die 37-Jährige, die für den Aufschwung ihres Sports mitverantwortlich war. "Gold im Team, das hat für mich eine Mega-Bedeutung. Ich bin so stolz auf meine Mädels, wir werden das richtig feiern", jubelte die Wahl-Tirolerin, die 97 und 99,5 m erreicht hatte. Sie streute Kramer Rosen. "Was sie in den letzten Tagen gemacht hat, ist wahre Größe."
Die erst am Vorabend anstelle von Eva Pinkelnig nominierte Chiara Hölzl (89,5/96,5) sprach von "verrückten Tagen". Sie habe viel weinen müssen, sagte die Salzburgerin zu ihrer Nichtnominierung für den Einzelbewerb. Am Freitagabend kullerten nach der dritten Team-Medaille nach zweimal Silber 2019 Freudentränen bei der 23-Jährigen. Sie hat dennoch schon viel WM-Erfahrung, hatte sie doch ihr erstes Edelmetall als 15-Jährige im Mixed-Bewerb 2013 geholt. Am Vortag noch Ersatzfrau, nun Weltmeisterin: "Ich bin so dankbar, dass ich mit diesen drei springen durfte", meinte die Pongauerin.
Die 22-jährige Sophie Sorschag, die zweite WM-Debütantin, steigerte sich im Finale deutlich (88/93,5) und durfte sich nach der Disqualifikation am Vortag WM-Gold umhängen. "Ich kann es noch gar nicht glauben, ich bin sehr froh, dass ich den zweiten Sprung so gut runtergebracht habe", freute sich die Kärntnerin. "Das war echt spannend."
Die Entscheidung im Liveticker zum Nachlesen: