Seit 1. April amtiert Roland Assinger als Rennsportleiter von Österreichs Alpin-Frauen. Fünf Monate vor dem Weltcupauftakt ortet der Rückkehrer Aufholbedarf im körperlichen Bereich und erteilte allzu großen Hoffnungen in den technischen Disziplinen eine Absage. "Ich glaube, dass das Potenzial da ist. Nur war das Potenzial vor 20 Jahren höher", umschrieb Assinger am Dienstag in Bad Tatzmannsdorf generell den Status quo. Der Kärntner will Disziplin und Teamgefüge verbessern.
Anlässlich eines Trainingskurses der Speed-Frauen sprach Assinger im Burgenland über Ziele und Erwartungen hinsichtlich der neuen Alpin-Saison. Seine Einschätzung fiel zweigeteilt aus, da es im Speed zuletzt – unter anderem wegen der Medaillen von Cornelia Hütter und Nina Ortlieb bei der Ski-WM in Frankreich – "nicht so schlecht" ausgeschaut habe. "Da brauchen wir nur mehr Konstanz, vor allem bei Bedingungen, die nicht so gute Sichtverhältnisse mit sich bringen. Da erwarte ich mir schon einiges", sagte Assinger.
An Schrauben wurde gedreht
Bei den Technikerinnen, die in der Vorsaison bis auf wenige Ausnahmen enttäuscht hatten, "haben wir schon ein paar Schrauben ordentlich drehen müssen. Diesbezüglich ist ein neues Trainerteam entstanden", verwies er auf die neue Technikgruppe unter Klaus Mayrhofer. Der Ex-Weltmeisterin Katharina Liensberger habe Assinger gleich klargemacht, dass es für sie keine "Extrawürste" mehr geben werde. Die Vorarlbergerin müsse mit den vorhandenen Trainern ihr Auskommen finden. "Viele Köche verderben den Brei. Das Sprichwort kommt nicht von irgendwo her", betonte er und bezeichnete Liensberger als "Vorzeigeathletin", die sich immer mehr verbessern wolle. "Dass die Kathi Ski fahren kann, steht außer Frage, das hat sie schon bewiesen."
Assingers Saisonerwartungen in Richtung der Technikerinnen sind eher gedämpft. "Da wird es sicher dauern", sagte der Ex-Abfahrer und Bruder des nunmehrigen ORF-Moderators Armin Assinger. "Von heute auf morgen Rennen gewinnen wird nicht funktionieren. Wir müssen uns zumindest in der vorderen Spitze mit Top-fünf-Platzierungen wieder stabilisieren, dann kommt der nächste Schritt." Dass im kommenden Winter kein Großereignis ansteht, sei definitiv "kein Nachteil". Die Heim-WM in Saalbach-Hinterglemm findet 2025 statt. "Wenn heuer das Großereignis wäre, wäre schon noch einmal mehr Druck."
Bis dahin will Assinger, der sich vorerst für drei Jahre verpflichtet hat, auch an der Kultur im Team arbeiten. "Es stimmt, dass das gruppeninterne Betreuen mit wenig Links- und Rechts-Schauen sehr groß war. Das ist ein Hauptaugenmerk, was ich mir vorgenommen habe, dass ich wieder diese gruppenübergreifende Homogenität schaffe", erklärte er. Auch die Verzahnung von Nachwuchsbereich und Weltcup solle künftig besser funktionieren. "Dadurch erhoffe ich mir auch, dass wieder mehr Teamgefüge entsteht."
Disziplin und Handyverbot
Allgemein verbindliche Vorgaben gibt es offenbar bereits jetzt in Sachen Disziplin. "Ich habe schon versucht, über alle Gruppen gewisse Regeln zu schaffen, auch eine Disziplin, was etwa die Anreise betrifft", erläuterte der 50-Jährige, der bis 2020 als Speed-Gruppentrainer bei den Frauen fungiert hatte. Es gehe dabei um Kleinigkeiten. "Nur für mich sind es keine Kleinigkeiten. Wie etwa, dass man beim Abendessen kein Handy dabei hat, dass man untereinander kommuniziert. Und dass man pünktlich ist. Nicht neun, sondern fünf vor neun."
Auch im Konditionstraining will Assinger die Zügel anziehen. "Für diese Technik, die wir jetzt vorhaben, umzusetzen, braucht man einen immens starken Körper, eine starke Physis. Da haben wir auch in der Hinsicht extremen Nachholbedarf", sagte der Familienvater, der zuletzt als Trainer in einem Schweizer Skigymnasium gearbeitet hatte. "Aber irgendwann nach drei Jahren hat es mich dann schon wieder gejuckt, wieder ein bisschen eine Spannung hineinzubekommen in mein Leben. Weil ich ja doch ein Abfahrer war. Irgendwie bleibt einem das."