Er ist Geschichte, der Alpine Skiweltcup 2022/23. Die Saison war zunächst von Absagen gekennzeichnet, die das Thema Klimawandel anheizten. Die spektakulären, grenzüberschreitenden Abfahrten am Matterhorn mit dem Start in fast 3800 Metern Höhe wurden Opfer der zu warmen Witterung, nun soll die Premiere am 11. November 2023 erfolgen.
Die Dominatoren
Die nun mit dem Finale in Andorra abgelaufene Saison nahm trotzdem rasch Fahrt auf und wurde zum Triumphzug für Mikaela Shiffrin und Marco Odermatt. Die Amerikanerin und der Schweizer beherrschten die Szene und verschoben die Grenzen nach oben. Shiffrin schraubte den Allzeitrekord auf 88 Siege. Ob der 25-jährige Odermatt (24) in diese Sphären vordringen kann, ist ungewiss. Wenn er die nächsten fünf Saisonen genau so gestaltet wie die vergangene (13 Siege), würde dieser Fall eintreten (doch dann ist Shiffrin schon viel weiter).
Im Riesentorlauf hat er sich als praktisch unschlagbar erwiesen, im Super-G diesem Status stark angenähert. Eine Shiffrin in Bestlaune hat sich vom Rest der Welt so weit abgesetzt wie nie zuvor, Petra Vlhova wirkte in ihren Schwüngen diesmal gehemmter als gewohnt. Die überragenden Skipersönlichkeiten der Gegenwart lassen auch die ständig aufkommenden Diskussionen über Pistenbedingungen etc. ins Leere laufen.
Das rot-weiß-rote Desaster
Österreich wurde in dieser Saison von der Konkurrenz mitunter vorgeführt, das gilt vor allem für die Damen und hier wiederum auf eklatante und nicht selten peinliche Weise für die Technikspezialistinnen. Irgendwann erreichten die Auftritte die Grenze des für den verwöhnten heimischen TV-Skikonsumenten Zumutbaren. Da ging es manchmal ernsthaft um die Frage, ob sich eine etablierte ÖSV-Läuferin für den zweiten Durchgang qualifiziert. Paradebeispiel ist die auf dieser Abstiegsebene wohl meistzitierte Katharina Liensberger, deren Einbruch irritiert. Vielleicht wird das Rätsel in der nächsten Saison gelöst.
Allgemein ist davon auszugehen, dass im Lager der Skidamen im Trainerstab die Zepter weitergereicht werden. Sind die Stockerlplätze die Maßzahl (25), ist die Saison aus ÖSV-Sicht die schlechteste seit 1984/85. In der Rekordsaison 1999/2000 gab es deren 107. Und in den Mannschaftswertungen gibt es eine neue österreichische Kennzahl. Der ÖSV ist sowohl bei den Damen als auch bei den Herren nur noch die Nummer drei.
Die ÖSV-Lichtblicke
Ja, die gab es. Zum einen kristallisierte sich Vincent Kriechmayr in der Abfahrt als erster Herausforderer von Aleksander Aamodt Kilde heraus. Der Oberösterreicher holte vier der sieben ÖSV-Saisonsiege. Besonders herauszustreichen ist auch Marco Schwarz. Der Kärntner hat sich mit seinen Abfahrtsauftritten als erster potenzieller Siegläufer in allen vier Disziplinen seit Bode Miller vorgestellt und kann, wenn er diesen Trend fortsetzt, künftig im Gesamtweltcup eine entscheidende Rolle spielen.
Bei den Damen sind Cornelia Hütter und Nina Ortlieb Siegkandidatinnen in den Speedbewerben. Sowohl im Fall der Steirerin als auch jenem der Vorarlbergerin stellt sich bei fast jedem ihrer Auftritte die bange Frage: Werden sie es bis ins Ziel schaffen? Sie überreizen nicht selten ihre Limits und bringen sich damit in die Bredouille. Oft fallen sie hin.
Die Entdeckung der Saison
Die ist zweifellos AJ Ginnis. Der Grieche, der einen Teil seiner Skibildung in Österreich genoss, ist ein Farbtupfer für die Szene – wie Lucas Braathen, der im Slalomweltcup das Zornbinkerl Henrik Kristoffersen in die Schranken wies. Der Routinier blickt mit der Hirscher-Skimarke "Van Deer" trotzdem auf eine starke Saison zurück.
Zum Vormerken: Am 28. Oktober 2023 startet in Sölden die neue Weltcupsaison.