Der dominante Skifahrer der Gegenwart steht erneut als Gesamtweltcupsieger fest. Marco Odermatt hat durch den seit Donnerstag offiziellen Startverzicht seines Verfolgers Aleksander Aamodt Kilde die Titelverteidigung geschafft. Seine zweite große Kristallkugel ist dem erst 25-jährigen Schweizer nicht mehr zu nehmen.
Kilde fehlt im Aufgebot des norwegischen Verbandes für die Riesentorläufe am Samstag und Sonntag in Kranjska Gora. Er kann beim Saisonfinale in Andorra in der kommenden Woche höchstens 300 Punkte gewinnen, da er keine Spezial-Slaloms fährt. Sein Rückstand auf Odermatt beträgt aber schon jetzt 386 Zähler. Kilde hatte seinem Rivalen bereits zuletzt fair gratuliert und seinen Verzicht angekündigt.
Odermatt ist erst der zweite Schweizer nach Pirmin Zurbriggen, der die große Kristallkugel mehr als einmal gewinnt. Zurbriggen gelang das Kunststück viermal (1984, 1987, 1988 und 1990). Macht Odermatt in dieser Tonart weiter, könnte er Zurbriggen durchaus überflügeln.
Vorerst hat er die Krönung einer Fabelsaison geschafft. Neben zweimal Gold bei der WM in Courchevel gelangen Odermatt bisher neun Saisonsiege, in 22 Weltcuprennen stand er sage und schreibe 18-mal auf dem Podest. Ausreißer der negativen Art erlebte der 25-Jährige folglich fast keine, sein Mammutprogramm spulte er fast ohne Makel ab. Lediglich in Kitzbühel lief es nicht nach Wunsch. In der Abfahrt lädierte er sich den Meniskus im Knie etwas und musste danach etwa den Schladming-Riesentorlauf auslassen. Beim Saisonhöhepunkt in Frankreich war er dennoch in Form.
Die Rolle des Dominators hat allem Anschein nach aus ihm keinen anderen Menschen gemacht. Anpassungen hat er ausschließlich zum Selbstschutz vorgenommen, zur Wahrung einer Privatsphäre in noch akzeptablem Umfang. Völlige Abschottung aber ist ihm fremd. Der aus dem Kanton Nidwalden stammende Odermatt betont die Normalität, obwohl er dem Gewöhnlichen längst entflohen ist.
Starker Kopf als Schlüssel
Mentale Stärke zeichnet die Champions aus. "Skirennen werden im Kopf entschieden", sagte Odermatt selbst. "Es geht darum, die bestmögliche Leistung im Ernstfall abrufen zu können - oder vielleicht noch ein Prozent mehr. Dafür braucht es einen starken Kopf." Seit Jahren arbeitet er mit der früheren Slalom-Spezialistin Monika Wick-Hess zusammen.
Er habe für jede mögliche Situation einen Plan parat. Nervosität etwa bekämpft Odermatt mit Atemübungen. Dazu setzt er auf Visualisierungen. "Einen Lauf gehe ich nach der Besichtigung mindestens zehnmal in Gedanken durch, damit Kopf und Körper wissen, wo es lang geht." Es gehe darum, alle Gedanken so zu richten, dass "es passt, dass keine Zweifel aufkommen". Auf Enttäuschungen hat er bisher stark reagiert - nach Fehlstarts bei Olympia in Peking genauso wie bei den diesjährigen Weltmeisterschaften in Courchevel. Der designierte Nachfolger von Marcel Hirscher untermauert seine Rolle immer mehr mit Taten.