Sportlich lief es für die Österreicherinnen bei der Abfahrt in Crans-Montana nicht nach Wunsch, aber das war ein ÖSV-Ass diesmal nur Nebensache. Hochemotional, aber gesund und zuversichtlich hat Cornelia Hütter die mentale Prüfung Crans Montana absolviert. Ein Jahr nach ihrem fatalen Sturz kehrte Hütter dieser Tage auf die Schweizer Skipiste zurück. "Vielleicht war Crans-Montana fürs Schnell-Fahren noch ein Jahr zu früh. Aber nächstes Jahr bin ich wieder bereit", versprach Hütter, für die Rang 31 und 2,30 Sekunden Rückstand auf Abfahrtssiegerin Sofia Goggia am Sonntag zu verschmerzen waren.
"Ich wusste, ich muss mich dem stellen. Ich wusste, es wird ein Rennen gegen mich und nicht gegen die anderen", sagte die Steirerin. Wie nahe ihr die Rückkehr an jenen Ort ging, an dem sie sich im vergangenen Jahr ein Schädelhirntrauma zugezogen hat, zeigte sich schon im TV-Interview, als Hütter von "Traumabewältigung" sprach. "Ich habe mir echt gedacht, ich muss die Emotionen zulassen und nicht runterschlucken. Aber es war in dem Moment gerade zu viel für mich."
Wie sie auf Crans-Montana reagieren würde, war für Hütter angesichts des partiellen Gedächtnisverlusts im Vorfeld völlig ungewiss gewesen. "Ich weiß einfach nichts mehr von dieser Woche vom letzten Jahr. Ich habe zwar das Video gesehen, aber ich habe mich nicht fahren gesehen. Es war so weit weg, es war nicht emotional. Die Person, die da im Zielraum gelegen ist, das war nicht ich für mich", sagte die 30-Jährige. Am Sonntag holten sie die Erinnerungslücken ein. "Jetzt bin ich zurückgekommen, und auf einmal war es wieder da. Heute hat es mich übermannt."
Sie muss zwar immer wieder Trainings streichen, weil Kopfschmerzen akut werden. "Doch grundsätzlich habe ich es im Griff", hatte Hütter am Rande der WM des Öfteren betont und ihr Management mit Rang drei in der WM-Abfahrt und Stockerlplätzen seit dem Sturz auch unter Beweis gestellt. Koste es, was es wolle, spielt es bei der früher "Vollgas-Conny" gerufenen Athletin nicht mehr. Schon früh in der Saison hatte sie mit der Courage des Startverzichts in der zweiten Lake-Louise-Abfahrt überrascht. "Ich kann es mir nicht erlauben, bei 140 km/h unscharf zu sehen."
Auch Nina Ortlieb nervös
Als leidgeprüfte Solistin stand Hütter in der Schweiz nicht am Start. Vizeweltmeisterin Nina Ortlieb hatte sich vor zwei Jahren ebenfalls in Crans-Montana das rechte Knie zerstört und fand bei schlechter Bodensicht ebenfalls nicht zur Attacke (27.). "Ich habe gerade mit der Nina geredet, sie hat auch gesagt, sie hat sich angeschwitzt am Start", berichtete Hütter. Ortlieb meinte, der Wechsel der Schneebedingungen von weich im Training auf kompakt im Rennen sowie die Sicht hätten ihr "einen Strich" durch die eigentlich ambitionierte Rechnung gemacht. "Es ärgert mich schon, ich bin auch enttäuscht, dass ich es nicht hingekriegt habe. Aber ich kann es jetzt nicht mehr ändern."
Die nächste Aufgaben warten mit zwei Super-G und einer Abfahrt in Kvitfjell. Erstmals seit 2006 machen die Frauen im Weltcup wieder dort Station. Hütter hat dennoch gute Erinnerungen. Vor mehr als zehn Jahren hatte sie dort Auftritte im Europacup, landete im Super-G auf Rang drei vor einer gewissen Sofia Goggia. "Das war sehr cool, es erinnert mich fast ein wenig an Kanada." Als Zweite und Dritte der Lake-Louise-Rennen 2022 könnte für sie in Norwegen das Setting also wieder passen.