Sie ist nahezu perfekt. Es scheint nichts zu geben, was Mikaela Shiffrin nicht kann: Sie singt gut, sie tanzt gut, sie ist eloquent, empathisch, gut aussehend – und sie kann verdammt gut Skifahren. 85 Weltcupsiege hat sie schon – nur einer fehlt noch, um die Bestmarke von Ingemar Stenmark einzustellen. Einzig bei Olympia in Peking im Vorjahr ging alles daneben. Doch statt daran zu verzweifeln, kehrte Shiffrin noch ein Stück besser zurück. Bei dieser WM aber patzte sie im Kombinationsslalom erneut, nur um sich im Super-G Silber zu holen. Und mit dem Riesentorlauf am Donnerstag (9.45 Uhr, live ORF 1) und dem Slalom am Samstag warten ja noch ihre besten Disziplinen.

Hinter dem Erfolg steht ein eingespieltes Team – über dem aber just vor dem Riesentorlauf Wolken aufzogen: Denn Shiffrin beendete die Zusammenarbeit mit Mike Day nach sieben Jahren – woraufhin der noch während der WM seine Sachen packte und abreiste. Und damit kommt einem Steirer eine noch bedeutendere Rolle zu: der Ramsauer Mark Mitter. Der Globetrotter – nach der Skikarriere war er für zehn Jahre in Australien, dann in den USA – hat Erfahrung mit "Superstars", werkte acht Jahre lang an der Seite von Mike Pircher für und mit Marcel Hirscher. "Ich war im Hintergrund, habe acht Jahre lang lernen können, der ganze Druck ist auf Mike gelegen. Aber ich weiß, was ein Superstar braucht."

Mark Mitter mit Mikaela Shiffrin
Mark Mitter mit Mikaela Shiffrin © Privat/KK

Was Mikaela Shiffrin braucht? "Ihr Tag ist extrem durchgetaktet, sie ist in der Rennsaison zwölf Stunden durchgeplant, mit Training, Physiotherapie, Medien – und Schlaf braucht sie auch. Wir im Team müssen schauen, dass wir alle unsere sieben Zwetschken beieinander haben, um die Bedingungen zu schaffen, die sie braucht und um alles so effizient wie möglich zu halten."

Schonungslos

Shiffrin bleibt, wie alle großen Stars, nie stehen, ruht sich nie auf und nach Erfolgen aus. "Sie ist sehr professionell, eine fantastische Skifahrerin, die jeden Tag versucht, ihr Handwerk noch besser zu beherrschen. Sie arbeitet hart, gibt alles für den Sport. Aber dabei ist sie vor allem ein wirklich guter Mensch", sagt der 46-jährige Mitter.

Und doch ist Shiffrin vor allem eines: schonungslos zu sich selbst. "Man vergisst, dass sie während der Saison praktisch nie mehr als einen Tag Pause hat." Es geht um Entwicklung, Trainingssteuerung, Tüfteln an Materialdetails. Mitter: "Es geht immer weiter. Und das ist der rote Faden." Möglich macht das vor allem das naturgegebene Talent – und die Basis, die Mutter Eileen gelegt hat. "Sie war ihre Trainerin für die technische Basis, für den Zugang zu allem. Und es ist auch eine große Aufgabe, Mikaela mitunter in ihrem Eifer zu bremsen."

Skifahren im Blut

Das Skifahren liegt Mitter im Blut; Vater Wolfgang war lange Alpinreferent im steirischen Verband, Bruder Andreas ist Skisprungtrainer. Und Christian, der andere Bruder, war bis heuer Cheftrainer der ÖSV-Damen, werkt nun wieder in Norwegen. Mit seinem Abgang war auch Marks Zeit beim ÖSV zu Ende. "Wir reden sehr viel über den Skisport, das ist Riesenthema in der Familie. Wir tauschen uns nach wie vor immer aus, arbeiten an den Details, hinterfragen immer aufs Neue."

Der Druck war groß, als Mitter ins "Team Shiffrin" kam. Cheftrainer Mike Day fiel mit einer gerissenen Achillessehne aus, "plötzlich lag die gesamte Saisonvorbereitung bei mir", sagt Mitter. Sie scheint gut verlaufen zu sein, denn in dieser Saison performt Shiffrin wie zu besten Zeiten, derzeit steht sie schon bei elf Saisonsiegen und fast 1700 Weltcuppunkten.

Druck als Antrieb

Was Shiffrin antreibt? "Stars wie Mikaela stehen unter einem enormen intrinsischen Druck. Sie haben oft das Gefühl, nicht zu genügen, wenn sie nicht Erfolg haben. Mikaela glaubt, sie muss performen, um alle happy machen. Das treibt sie an, deshalb ist sie auch extrem selbstkritisch. Nicht nur im Sport." Shiffrin will sich um alles und jeden kümmern, ist der Chef im Team, sorgt sich um die Crew. "Sie ruft an, wenn wir mit den Bussen unterwegs sind und fragt, ob wir genug schlafen, gut essen, alles in Ordnung ist." Darum bekräftigt Mitter: "Sie ist wirklich ein guter Mensch. Soziale Probleme beschäftigen sie ebenso wie der Klimawandel. Da ist nichts gespielt."

Im Gegenzug geht jeder im Team über die Grenzen. "Im Moment ist wenig Pause da, das stimmt schon. Aber das weiß man vorher. Und ganz ehrlich: Mikaela verdient es, dass man einfach alles macht und versucht."

Zumal der Weg noch nicht zu Ende sein soll: "Sie hat Riesenpotenzial. Das ist vielleicht nicht erst der Anfang, aber da kann noch viel kommen." Wenn Shiffrin unverletzt und vor allem "happy" bleibt, wie Mitter sagt. Dazu trägt auch Aleksander Aamodt Kilde bei. Und eventuell zwei weitere Medaillen bei dieser WM – in Riesentorlauf und Slalom.