Marco Odermatt jubelte im Ziel wie selten zuvor, er konnte die eigenen Emotionen kaum unter Kontrolle bringen. Und da wusste man: Dem Schweizer Alleskönner ist an diesem Tag Besonderes gelungen. Wie gezeichnet raste er die "L’Èclipse" zu Tal, fehlerfrei, so schien es. Immer schneller wurde der Mann aus Nidwalden, der im Ziel eine Sekunde voraus war – und dann begann das große Bangen. "Als Aleksander (Kilde, Anm.) gefahren ist, habe ich am ganzen Leib gezittert, so was habe ich noch nie erlebt", bekannte er. Doch das Zittern war nur von kurzer Dauer, denn auch der Norweger biss sich an Odermatt die Zähne aus, der damit mit nur 25 Jahren alles gewonnen hat, was es zu gewinnen gibt: Odermatt ist Gesamtweltcupsieger, Olympiasieger und nun endlich auch Weltmeister.
Es war eine besondere Goldmedaille, denn in der Abfahrt, da wartete Odermatt nach wie vor auf einen Sieg. Angeklopft hatte er schon einige Male; immerhin hat der Schweizer schon sieben zweite Plätze zu Buche stehen. Der Sieg aber war ihm verwehrt geblieben – bisher. "Da habe ich mir wohl den perfekten Tag ausgesucht, um ihn einzufahren", meinte er lächelnd und bekannte: "Es war wohl das beste Rennen meines Lebens. Ich wüsste nicht, wo ich auch nur eine Hundertstelsekunde herausholen sollte – man kann vielleicht davon reden, dass es die perfekte Fahrt war. Aber ganz ehrlich: Ich hab’ sie selbst noch nicht gesehen", meinte er lachend.
Dass seine Skifirma Stöckli noch im Zielraum goldene Autogrammkarten mit dem Aufdruck "World Champion" ausgab, davon habe er nichts gewusst. "Natürlich nicht", erklärte er. Zu schwierig sei für ihn die Zeit nach dem Super-G gewesen, nach dem enttäuschenden vierten Platz. "Es war nicht so leicht in den letzten Tagen. Nach den Trainings war mir klar, dass ich etwas Besonderes machen muss, um zu gewinnen – und das habe ich durchgezogen. Und als ich im Ziel war, da gab es da nur die pure Freude!"
Odermatt genoss die ehrlichen Gratulationen, errötete, ob manchem Vergleich sogar. So nannte ihn Johan Clarey schon jetzt den "Roger Federer des Skisports." Das wehrte er ab: "Roger hat so viel mehr geleistet als ich. Aber er ist Vorbild, auch ich will immer demütig sein, bescheiden bleiben – ich will nicht töten für den Sieg." Der Skisport, sagte er, sei dafür bestens geeignet, denn: "Die Zeit bestimmt. Wer schneller ist, hat gewonnen. Wir brauchen keine Schiedsrichter, wir müssen uns nicht schlagen wie im Boxen. Deshalb ist es so gut, weil man die Leistung des anderen einfach respektieren und sich mit ihm freuen kann."
Das tat auch der "geschlagene" Aleksander Aamodt Kilde, der die zweite Silbermedaille dieser WM einfuhr – fast eine halbe Sekunde verlor er auf Odermatt. "Natürlich hätte ich lieber Gold gehabt, aber Marco war heute einfach zu gut. Ich freue mich für ihn und über unsere Rivalität, die das Beste aus uns herausholt. Wenn es nach mir geht, bleibt es meine ganze Karriere so."