"Der kann alles gewinnen, was er will", hatte Marcel Hirscher vor vier Jahren prognostiziert. Der Mann, den Österreichs Skistar meinte, hat nun tatsächlich alles gewonnen. Seit Sonntag ist der Olympiasieger und Gesamtweltcupsieger Marco Odermatt auch Weltmeister. "In der Theorie habe ich jetzt alles erreicht. Aber wer einmal gewinnt, will zweimal gewinnen. Ich bin noch nicht fertig", sagte der erst 25-jährige Schweizer nach seinem Fabellauf in Courchevel.
"Es war wirklich die perfekte Fahrt", grinste Odermatt nach dem möglicherweise sogar besten Rennen seiner Karriere. "Es ist gut möglich. Ich habe die Fahrt noch nicht gesehen, darum kann ich noch nicht vom besten Rennen ever reden. Aber ich wüsste nicht, wo ich noch ein paar Hundertstel finde."
Eine knappe halbe Sekunde schuf er auf der WM-Piste "L'Eclipse" zwischen sich und seinem zweitplatzierten Dauerrivalen Aleksander Aamodt Kilde. Dabei sei Kilde, der im Vorfeld fünf der acht Saisonabfahrten gewonnen hatte, "der beste Abfahrer der Welt", sagte Odermatt. "Ich brauchte wirklich diesen perfekten Lauf, um ihn zu schlagen."
Die Schweiz hält nun alle wichtigen Abfahrtstitel der jüngeren Zeit in Händen. Mit Odermatt und Jasmine Flury gingen zum ersten Mal seit 1987 (Peter Müller und Maria Walliser in Crans Montana) beide WM-Titel an die Schweiz. Zudem sind Beat Feuz und Corinne Suter die Olympiasieger von 2022.
Odermatts "pure Freude" war umso größer, weil er nach Rang vier im Super-G den perfekten Konter geschafft hatte. Mit dem "perfekten Timing", wie er festhielt. Denn im Weltcup hat der Mann aus dem Kanton Nidwalden noch keine Abfahrt gewonnen. Seine 19 Siege entspringen dem Riesentorlauf (11) und Super-G (8). Nach dem Aufstehen hatte sich Odermatt die Bilder seines Olympiasiegs im Riesentorlauf hereingezogen. "Um die Emotionen aufzutanken." Und für seine erste WM-Medaille "all in" zu gehen.
Als erster Skifahrer hatte Odermatt 2018 bei der Junioren-WM fünfmal Gold gewonnen. Bei den "Großen" wollte es bis jetzt nicht recht laufen, im neunten Anlauf klappte es nun endlich mit dem ersehnten Edelmetall. Am Sonntag fuhr er wieder frech, unerschrocken – und nahe der Perfektion. Es gibt im Ski-Business keinen, der die Abteilung Attacke und technische Raffinesse so gut vereint wie Odermatt. Spitzbübische Posterboy-Fassade, ein Killer im Innersten.
Am nächsten kommt ihm im Speed-Metier aktuell Kilde. Die beiden Giganten genießen ihr Duell an der Spitze. "Gegen ihn zu kämpfen, ist immer eine Freude. Allein der Gedanke daran bringt ein Lächeln in mein Gesicht", sagte Kilde. "Ich hoffe, das bleibt so für den Rest meiner Karriere." Auch der Norweger ist noch nicht fertig.