Der überragende Skifahrer der Gegenwart hat sich WM-Gold in der Abfahrt geschnappt. Der Schweizer Marco Odermatt triumphierte am Sonntag mit einer genialen Fahrt in Courchevel deutlich vor Norwegens Topstar Aleksander Aamodt Kilde (+0,48 Sek.) und dem Kanadier Cameron Alexander (+0,89). Marco Schwarz schrammte in seiner zweiten Spezialabfahrt der Karriere auf Topniveau als Vierter um vier Hundertstelsekunden an Bronze vorbei.
Damit landeten die Österreicher erstmals seit 2013 in WM-Abfahrten und -Super-G wieder außerhalb der Medaillenränge. Titelverteidiger Vincent Kriechmayr (11./+1,16), Daniel Hemetsberger (14./+1,28), Stefan Babinsky (32./+2,69) und Otmar Striedinger (Ausfall) unterliefen entscheidende Patzer.
Ganz anders Odermatt. "Das war die perfekte Fahrt", befand Kriechmayr. Im Weltcup ist Odermatt bei sieben zweiten Plätzen in der Abfahrt noch sieglos. Im größten Rennen der Königsdisziplin in diesem Jahr schlug der Eidgenosse aber gnadenlos zu. "Mehr als verdient. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er eine Abfahrt gewinnt", betonte Kriechmayr. "Jetzt hat er die WM-Abfahrt gewonnen – auch nicht schlecht."
Schwarz: "Wirklich bitter"
"Bei jeder Weltcupabfahrt nehme ich das von Herzen gerne. Heute ist es wirklich bitter", betonte Schwarz. Er habe klarerweise noch nicht so viele Erfahrungswerte. "Aber bei einer Weltmeisterschaft Vierter zu werden, ist immer zach." Die Hundertstel finde er ein paar Mal, er sei im Training vielleicht schöner gesprungen. Er könne sich nichts vorwerfen, sagte Schwarz, der zum WM-Auftakt in der Kombination Silber gewonnen hatte und im Super-G Sechster geworden war.
Für Odermatt war Gold eine riesengroße Genugtuung. "Der vierte Platz vor drei Tagen macht den Sieg heute noch schöner", sagte der Weltcup-Dominator. Im neunten Anlauf beendete er auch seinen persönlichen Medaillenfluch bei Weltmeisterschaften. Solche Emotionen wie im Ziel habe er noch nie gespürt. "Während der Fahrt von Aleks habe ich gezittert am ganzen Körper."
Die sechste WM-Medaillenentscheidung, die dritte bei den Männern, ging wie alle anderen zuvor bei Prachtwetter unter wolkenlosem Himmel in Szene. Der erste Angriff der Österreicher erfolgte im Paket von Startnummer 5 bis 7. Striedinger machte den Auftakt, dem Kärntner gelang zunächst eine saubere und schnelle Fahrt, ehe er in einer Linkskurve überdrehte und kurz vor dem Ziel ausschied. Kriechmayr verschnitt nach einer Fahrminute in der Kompression und wurde aus der Position gerissen. Die sieben Hundertstel, die dem Oberösterreicher als zunächst noch Zweitem fehlten, waren schnell gefunden. Hemetsberger ereilte bei einer lang gezogenen Kurve kurz vor dem Zielhang ein ähnliches Schicksal.
Drei Läufer später wuchtete sich Odermatt aus dem Starthaus – und machte eine neue Zeitrechnung auf. Dem Schweizer gelang eine nahezu perfekte, auf jeden Fall geniale Fahrt. Als erster meisterte er die Sprünge, die langen Kurven und das äußerst herausfordernde Gefälle auf der Piste Eclipse (Finsternis) mit Bravour. Völlig euphorisiert, brüllte er sich im Zielraum die Freude aus dem Leib.
Die Jubelgeste Odermatts wiederholte sich wenige Minuten später, als der Angriff von Kilde abgewehrt war. Der "Elch" hatte fünf der acht Saisonabfahrten gewonnen, schien sich aber auch über Silber ehrlich zu freuen. Er hatte bereits im Super-G Rang zwei belegt und damit seine erste WM-Medaille ergattert. "Ich habe es hundertprozentig probiert. Es war schon gut, aber Odermatt ein bisschen stärker", wusste der Skandinavier.
Schwarz ließ vor allem Kilde und Alexander noch einmal kräftig zittern. Der Kärntner ging als Schnellster des Abschlusstrainings als brandgefährlicher Außenseiter und mit Nummer 21 ins Rennen. Und lieferte ab. Zwar summierte sich der Rückstand auf Odermatt sukzessive, auf den Kanadier Alexander fehlten im Ziel jedoch läppische 4/100.
Kriechmayr hat "wirklich versucht, anzugreifen"
Kriechmayr sah die Top-Asse an diesem Tag außer Reichweite. "Der dritte (Platz) wäre schon drinnen gewesen. Aber da musst du fehlerfrei fahren, das habe ich nicht ganz geschafft. In Summe war es einfach nicht gut genug", sagte der entthronte Titelverteidiger. "Ich habe es probiert, ich habe wirklich versucht, anzugreifen."
"Ich habe einen blöden Schlag erwischt und dann ist er schon gelegen, der Otti", sagte Striedinger. "Ich bin enttäuscht, dass ich es nicht runtergebracht habe. Zwei Tore vor dem Ziel scheidet man nicht gern mit so einer Zeit aus." Hemetsberger war mit der eigenen Leistung "prinzipiell" zufrieden. "Ich habe Fehler gemacht. Aber ich bin am Anschlag gefahren. So ist das Spiel. Hin und wieder geht es gut, hin und wieder nicht." Er verlor im letzten Teilstück 44/100 und damit wohl Bronze.