Es war eine Hundertstelsekunde, die James Crawford die Goldene bei der WM in Courchvel brachte. Verzeihung. Jack Crawford. Denn alle, die ihn kennen, rufen den 25-jährigen Kanadier "Jack". Und das hat seinen Grund. Ebenso wie die Tatsache, dass er überhaupt Skirennläufer geworden ist. Als Kanadier stand auch Eishockey hoch im Kurs – bis zu dem Tag, als er mit 14 Jahren mit dem heutigen Eishockey-Superstar Connor McDavid in einer Mannschaft spielte.
James hieß ziemlich bald "Jack" – und das lag an seiner großen Schwester Candace, die drei Jahre älter ist. "Sie wollte von Anfang an, dass ich Jack heiße und hat mich nur so gerufen. Und meine Eltern haben es durchgehen lassen. Ich habe mich an sich nur rechtlich noch nicht umtaufen und die Papiere ändern lassen, aber an sich wäre Jack Crawford zutreffender", sagte er lachend.
Sensationssieger ist er mit Sicherheit keiner. Zu stark präsentierte er sich in den vergangenen zwei Jahren, "im Super-G hat es aber diese Saison gezwickt, irgendeinen Fehler habe ich immer eingebaut", meinte der Mann aus Toronto, der nun aber in Whistler Mountain lebt. "Aber ich bin heute mit demselben Mindset wie in jedes andere Rennen gegangen – und ich habe viel riskiert. Nur ist es heute aufgegangen", meinte er lächelnd. Mitverantwortlich ist ohne Zweifel John Kucera, der 2009 in Val d'Isère, also ebenfalls in Fankreich, zu Gold in der Abfahrt fuhr: "Er weiß, was es braucht. Wir sind ein junges Team, wir pushen einander. Aber weil wir nicht so viel Erfahrung haben – und die braucht es im Speedbereich – ist es oft ein Trial & Error, wir probieren und lernen aus Fehlern."
Als Kind war Crawford noch hin- und hergerissen zwischen Hockey und Ski. Bis er in einem Schulteam mit einem gewissen Connor McDavid, der heute als Kapitän der Edomonton Oilers als einer, wenn nicht aktuell der beste Spieler der Welt gilt, spielte. Es war ein U14-Spiel, in dem Crawfords Team im dritten Drittel 1:5 zurücklag, weil McConnor bei den Älteren spielen musste. Erst dann wurde er aufs Eis geholt, glich, so geht die Geschichte mit vier Toren in fünf Minuten aus. Und selbst, wenn Crawford das Siegestor erzielte: "So, wie er über Eis glitt, war es einfach wie eine andere Sportart. Das hat mir den Weg gezeigt: Ich habe mich dem Skisport zugewendet." Ähnlich, meinte Crawford, sei es ihm hier nur mit Marco Odermatt ergangen. "So schnell, wie er in der Abfahrt Weltspitze war, ist das normal nicht zu schaffen."
Nun aber hat Crawford, der vor einem Jahr in Peking schon kanadische Skigeschichte schrieb und mit Bronze in der Kombination die erste Medaille überhaupt für Kanada in dieser Disziplin holte, es ganz nach oben geschafft. "Ein Ziel, das ich schon einige Zeit verfolge", meinte er, dessen Familie im Skisport keine unbekannte ist: Judy Crawford fuhr bei Olympia 1972 im Slalom sowie bei den Weltmeisterschaften 1974 (Kombination) und 1970 in Gröden (Abfahrt) jeweils auf Rang vier. "Sie hat mir gesagt: Niemand erinnert sich an vierte Plätze. Wenn es irgendwie geht, dann leg' das gewisse Extra drauf." Das tat er an diesem Tag – und wie.