Die unverhältnismäßig hohen Temperaturen, sie sorgen derzeit im alpinen Ski-Weltcup für ein ungewohntes Bild. Auch Kransjka Gora präsentierte sich beim Riesentorlauf der Frauen nicht als Winterwunderland – der Siegerin dürfte das aber egal sein. Denn Valerie Grenier hätte wohl auch keine Probleme mit geschmolzenem Schnee, ist die Kanadierin seit Jahren eine begnadete Wasserskiläuferin.
Dass sie es auch auf gefrorenem Untergrund kann, wussten die Experten im Skizirkus schon länger. „Dieser Erfolg ist keine Sensation, da sie in den vergangenen Wochen schon sehr gut performt hat“, war etwa ÖSV-Frauenchef Thomas Trinker wenig überrascht. Seit dem Riesentorlauf in Slowenien wissen nun aber alle, dass mit der 26-jährigen Kanadierin auch in Zukunft zu rechnen ist. Nach einem sensationellen ersten Lauf behielt sie im finalen Durchgang die Nerven und sorgte mit erneuter Laufbestzeit für den ersten kanadischen Riesentorlaufsieg seit 6. Jänner 1974. Wie viel dieser Sieg bedeutet, zeigten Greniers Teamkollegen, die im Ziel auf sie zustürmten. „Dass ich das erste Mal in meiner Karriere als Letzte am Start stand, war schon komisch. Mit dem Sieg ist ein ganz großer Traum von mir in Erfüllung gegangen“, sagte sie.
Dieser Traum erfüllte sich durch zwei wahre Traumläufe, welche bei den Ski-Fans eine große Frage aufwarf: Wer ist die erste kanadische Riesentorlaufsiegerin seit Kathy Kreiner überhaupt? Die Antwort: unter anderem eine leidenschaftliche Hühnerbäuerin. In ihrer Heimat St. Isidore wuchs sie am Hof ihrer Eltern auf, die sie mit eineinhalb Jahren bereits auf Ski stellten. „Damals half ich meinen Eltern gerne am Hof, sammelte auch die Eier ein“, sagte sie in einem kanadischen Magazin.
Die Zeit am Hof wurde kürzer, die Liebe dazu blieb. Das zeigt sie in ihren sozialen Netzwerken, wo sie sich immer wieder als Foodbloggerin versucht, Videos mit eigenen Rezepten hochlädt. Fixer Bestandteil davon: Eier. Sie selbst sagt sich sogar eine „leichte Besessenheit“ nach. „Es ist das ideale Essen für Athleten, egal zu welcher Tageszeit. Ich versuche, jeden Tag Eier zu essen.“
Abseits des Kulinarischen mag es Grenier wild, war kanadische Juniorenmeisterin im Wasserski und jagt gerne mit dem Mountainbike durch die Wälder. Die Kanadierin hat auch Comeback-Qualitäten, brach sie sich vor knapp vier Jahren Schien- und Wadenbein sowie Knöchel beim Abfahrtstraining vor der WM in Aare. Weniger dramatisch war ihr „Comeback“ an diesem Wochenende. Noch am Semmering wurde Grenier aufgrund eines Frühstarts disqualifiziert, wenige Tage später fuhr sie unbeeindruckt zum ersten Weltcupsieg. „Es ist einfach verrückt. Ich habe danach aber gewusst, dass ich an guten Tagen ganz vorne dabei sein kann.“ Ob auch der Sonntag ein guter Tag für sie wird, wenn der zweite Riesentorlauf (9.30/12.30 Uhr) auf dem Programm steht? „Wenn ich noch einmal dasselbe mache, dann könnte es sehr gut werden.“