Neue Saison, neues Glück: Ein Jahr nach dem sensationellen Sieg in Chur geht es heute ebendort wieder los. Was erwarten Sie sich?
MATEJ SVANCER: Ich gehe davon aus, dass es nicht zu 100 Prozent laufen wird. Ich werde natürlich probieren, was Cooles hinzustellen. Aber ich habe keine neuen Tricks gelernt.

Ja, warum denn das?
Ich war gesund, keine Sorge. Aber ich habe mich auf das Fahren auf den Rails fokussiert, im Big Air keine Fortschritte mehr gemacht, ich habe mich eher darauf konzentriert, vielfältiger zu werden, ein Skifahrer zu werden. Also ein Wettkampf-Skifahrer, ein Rennfahrer gewissermaßen. Daher habe ich mich auf den Slopestyle fokussiert, weil ich da nachgelassen hatte. Und dort, im Slopestyle, sieht man die besten Skifahrer.

Gehen wir zurück nach Chur 2021: Nach dem Sieg waren Sie auf einmal ein Begriff in der Sportwelt. Ändert das die eigene Erwartung?
Der Grat ist schmal. Meine Erwartungen sind gar nicht gestiegen. Ich war im Vorjahr zweimal voll überrascht – positiv, von den Siegen. Aber eher dahingehend, dass ich die Tricks wirklich hingestellt habe. Meine zwei Sprünge beim Sieg in Steamboat, das waren zwei Tricks, die davor niemand je gestanden hat. Da war ich dann schon überrascht und froh. Sie waren also offenbar wirklich möglich. Aber davor war ich mir selbst nicht hundertprozentig sicher, dass es geht.

Wann entscheidet man dann: Ja, ich probiere es?
Zuerst muss ich sagen: Ich mache das gern. Weil das, was jeder schon gesehen hat, interessiert ja keinen. Und ja, es ist cool zu gewinnen, aber noch viel schöner ist es, bekannt dafür zu werden, weil man etwas Neues erfunden hat. Etwas, woran sich die anderen orientieren können. Womit ich jetzt aber nicht sagen will, dass man sich an mir orientiert.

Das war jetzt aber nicht die Frage. Ich probiere es anders. Wie wichtig ist Coolness in Ihrem Business?
Welche? Was ist Coolness? Meine coole Mütze, meine fetten Hosen und meine etwas anderen Pullis, als sie jeder andere trägt – das mag ein anderer für komplett dumm halten. Für mich ist es wichtig, das anzuziehen, was mir gefällt. Das, worin ich mich wohlfühle. Und es ist mir wurscht, ob es jemandem gefällt. Ich tue das nur zu meinem eigenen Wohlbefinden. Ich mache das ja nicht, damit ich cool rüberkomme …

Und die Coolness vor einem Sprung, den noch niemand gestanden hat? Ist das dann „natürliche“ Coolness?
Man denkt, dass da mehr sein muss, dass man cool sein muss. Aber ich weiß noch genau: Vor dem Sprung bin ich von der Anfahrt weggerutscht, weil der Anlauf sonst viel zu schnell gewesen wäre. Ich bin den Sprung durchgegangen, habe auf den Kicker (die Schanze, Anm.) geschaut und mir gedacht: Gut, dann machen wir es jetzt echt. Das hat sich normal angefühlt, gar nicht cool. Das darfst du dir nicht so vorstellen.

Wie entstehen Tricks?
Die Tricks, die ich mache, sind Kombinationen aus denen, die Skifahrer schon vor zehn Jahren gemacht haben. Ich kombiniere das mit dem Skifahren, das mir mein Vater beigebracht hat, und mit verschiedenen Turnelementen, die ich gelernt habe. Etwa in eine Richtung zu drehen und den Körper in eine andere zu bewegen. Und: Genau so entstehen auch neue Tricks.

Wo ist die Grenze?
Ich mache Dreifachsaltos mit zweieinhalb Schrauben, ich will mir gar nicht vorstellen, wo das hingehen soll. Daher switche ich auch mehr auf den Slopestyle, da kann man kreativ sein. Im Big Air, da sind wir jetzt bei – lass mich rechnen! – 1980er-Drehungen. Das wird zu langsam, zu knapp und echt gefährlich. Da versuche ich lieber, kreative, neue Tricks zu lernen. Vielleicht kann man die ja dann aufs Big Air ummünzen.

Macht das noch Spaß? Sich so oft drehen zu müssen?
Manche Menschen sehen Spaß darin, nur das zu tun: trainieren, wettkämpfen. Ich bevorzuge es, beides zu machen. Spaß mit Freunden zu haben und sich dabei selbst zu trainieren – und das Gelernte dann bei Wettbewerben zu zeigen. So machen die dann gleich mehr Spaß. Man braucht Wettbewerbe, um sich vergleichen zu können, um zu testen, ob das, was man macht, eben wirklich cool ist.

Sie sind nun bekannt. Hat das Vorteile?
Nur einmal, da wollte ich in einen Klub, hatte aber keinen Ausweis. Da ist mir eingefallen, dass ich mich googeln könnte. Ich durfte rein, aber für ein Red Bull musste ich trotzdem 4,50 Euro zahlen.

Sie sind im Matura-Jahr ...
... und ich hätte einiges zur Schule zu sagen. Aber das passt jetzt noch nicht.

Welches Fach interessiert Sie?
Geschichte war das einzige Fach, das mir Spaß gemacht hat. Wir hatten einen super Lehrer, leider jetzt nicht mehr. Physik hätte auch cool sein können, wenn ich aufgepasst hätte.

Dabei wäre es gerade in ihrem Sport interessant, Ihre Sprünge physikalisch zu untersuchen, oder?
Ich habe mich mit meinem Lehrer auch einmal unterhalten. Er sagte, wir funktionieren wie Katzen, die landen auch immer auf den Füßen. Das hat auch einen Namen, aber den habe ich vergessen.

Fühlen Sie sich also wie eine Katze auf Ski?
Nein. Eher wie ein Einhorn.

Wirklich?
Nein. Aber der war zu gut, um ihn nicht zu bringen.