"Ich präsentiere mich in der Welt der Großen, um zu sehen, was ich kann. Ganz ohne Druck!" So beschreibt Lara Colturi ihre Gefühle vor ihrem ersten Auftritt im alpinen Weltcup, der am Samstag beim Riesentorlauf in Sölden erfolgt. Dass sie mit noch 15 Jahren - sie feiert erst am 15. November ihren 16. Geburtstag - ihr Weltcup-Debüt gibt, ist zwar kein neuer Jugendrekord, aber das Mädchen aus dem Susa-Tal wird trotzdem viele Augen auf sich ziehen. Denn Colturi wird schon lange als Phänomen und kommender Star bezeichnet. Sie hat in den Jugendkategorien alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Als Italienerin.

Um schon heuer im Weltcup an den Start gehen zu können, hat sie mit ihrer Familie aber eine Entscheidung getroffen, die gemischte Reaktionen hervorgerufen hat: Colturi hat sich dazu entschlossen, für Albanien anzutreten. Denn das war für die Italienerin die einzige Möglichkeit, schon in diesem zarten Alter im Weltcup debütieren zu können.

Colturi ist die Tochter von Daniela Ceccarelli, der Olympiasiegerin im Super-G 2002 in Salt Lake City. Daniela ist Mutter, aber zusammen mit Ehemann und Vater Alessandro Colturi und dem Argentinier Javier Simari Birkner auch Trainerin ihrer Tochter. In Italien wäre der Wunsch der Familie, die technische Entwicklung ihrer Tochter persönlich zu entwickeln und zu verfolgen und die Erlaubnis vom italienischen Verband FISI zu bekommen, als Privatteam im Team zu fungieren. Keine ungewöhnliche und neue Konstellation im Ski-Weltcup bzw. in Einzelsportarten, in denen oft die Eltern Kinder in den Profisport führten und begleiteten. Beispiele wären Marc Girardelli, der einst von Österreich nach Luxemburg wechselte, die Kostelic-Familie mit Janica und Ivica in Kroatien oder auch Marcel Hirscher mit Vater Ferdinand. Nicht immer waren die Geschichten aber auch glückliche.

Ceccarelli fungiert nun auch als "Sportdirektorin" der albanischen Nationalmannschaft. Der Nachwuchs aus dem kleinen Land an der Adria trainiert nun zwischen Sestriere und Bardonecchia auf denselben Pisten, auf denen Lara aufgewachsen ist  - und plötzlich ist Albanien auf der Ski-Landkarte. "Unser Land hat einen Gebirgsanteil von 70 Prozent, wir lieben Schnee", gab der albanische Skiverbandspräsident Elvis Toci in Sölden zu Protokoll. "Wir haben zwar noch keine erschlossenen Skigebiete, aber wie in Bulgarien, Rumänien oder Serbien ist das Potenzial vorhanden  - wir wollen Teil der Skifamilie werden."

Zurück zu Colturi: Der Nationenwechsel brachte durchaus Kontroversen mit sich. Die Möglichkeit, dass Colturi eines Tages im Falle eines Olympia-Sieges oder WM-Titels auf der obersten Stufe des Podiums die albanische Hymne hören müsste, anstatt "Fratelli d'Italia" aus voller Kehle zu singen zu dürfen, ließ selbst Sofia Goggia und Paolo De Chiesa die Nase rümpfen. Ex-Slalomstar Giorgio Rocca, der einst selbst dank zweier Pässe für die Schweiz statt für Italien hätten fahren können, kann den Wechsel nachvollziehen: "Eine Chance, die es zu nutzen galt." In den vergangenen Monaten wurde in Italien auch viel über den Nationenwechsel und weniger über den Mensch Laura Colturi gesprochen, beklagte diese: "Ich habe all diese Kommentare über mich ergehen lassen müssen. Meine Mutter und mein Vater sind immer noch wütend", erklärte sie in einem Interview mit der Zeitung "Il Foglio".

Colturi wirkt mit ihrem leichten, fröhlichen Lachen sympathisch, auch wenn sie von "unvermeidlichen Meinungsverschiedenheiten"zwischen ihr als Teenager und ihrer charakterstarken Mutter spricht. Aber diese werden stets innerhalb der Familie besprochen und gelöst, erklärt Colturi: "Wir stehen als Familie immer zusammen, stellen uns jedem Problem gemeinsam. Auch die Entscheidung, für Albanien zu starten war eine gemeinsame, ebenso wie jene, am Samstag in Sölden im Weltcup-Riesentorlauf zu starten."

Die Ergebnisse bei den Rennen in Südamerika (zehn Siege in zwanzig Rennen) waren da zusätzlicher Ansporn und Beweis, bereit zu sein: "Dabei konnte ich in der Nacht vor meinem ersten  FIS-Rennen in El Colorado in Chile kein Auge schließen. Ich hoffte nur, mindestens 140 FIS-Punkte zu sammeln, um dann beim Südamerika-Cup teilnehmen zu dürfen." Es lief gut, trotz unterschiedlichster Pistenverhältnisse in Südamerika. Das Messen mit erfahreneren Athletinnen brachte den gewwünschten Nebeneffekt: "Ich konnte viel lernen,nur weil ich sie auf und neben der Piste beobachtet habe."

Begonnen hat Colturischon früh: "Mir erzählt man, dass ich mit 13 Monaten zum ersten Mal auf Ski stand. Aber daran kann ich mich nicht mehr erinnern, da war ich noch zu klein." Ihre erste Erinnerung ist ein Rennen ihrer Mutter Daniela in Cortina. "Ich war da wohl drei Jahre alt, hatte ein Paar Ski, das über und über mit Aufklebern bedeckt war." Neben dem Skisport und der Liebe zum Schnee entwickelte sie aber auch eine Leidenschaft für den Eiskunstlauf, bestritt mitunter sogar jeweils einen Wettbewerb beider Sportarten am selben Tag, wurde bei den französischen Meisterschaften in Briancon (FRA) mit 13 Jahren immerhin Dritte ihrer Altersklasse. "Heute laufe ich nur noch zum Spaß und um Dampf abzulassen", erklärte sie in dem Zeitungsinterview, "beim Skifahren braucht man Kraft, auf Eis eher Leichtigkeit." Klar ist: Der Sport Nummer eins in der Familie Colturi-Ceccarelli ist der Skisport. Doch Das reicht nicht: "Man muss leidenschaftlich sein, das bin ich. Denn ohne Leidenschaft kommt man nirgends hin."