Die Frage, ob er sich am Sonntag beim Start des Riesentorlaufs in Sölden nicht vielleicht doch denken wird, 'wäre schon cool, in den zweiten Durchgang zu kommen', kostete Henrik Kristoffersen letztendlich ein herzhaftes Lachen. "Sicher nicht. Die Möglichkeit für ein Podest oder einen Sieg ist jetzt viel höher als früher", erklärte der Norweger, der in diesem Winter auf der neuen Skimarke seines ehemaligen Lieblingskonkurrenten Marcel Hirscher antreten wird.
Und dann fallen im Mediengespräch am Donnerstag in Sölden Worte wie "Dreamteam", "andere Welt" und "anderer Planet", auf dem sich Kristoffersen wiederfindet. Gemeint sind die handelnden Personen in der Firma, das mit reichlich Wissen ausgestattete Umfeld und die gut bekannte akribische Arbeitsweise à la Hirscher. Neben seinen eigenen Leuten rund um Vater Lars darf sich Kristoffersen der Erfahrung von Vater Ferdinand Hirscher sowie im Servicebereich von Edi Unterberger und Raphael Hudler bedienen. Auch Toni Giger (Geschäftsführer) wechselte vom ÖSV zum Team Van Deer.
"Verstehe, wie Marcel acht Kugeln gewonnen hat"
"Ich kenne Marcel, Ferdl und Edi. Ich weiß, wie die Leute in der Firma arbeiten, sie haben so viel Erfahrung. Für mich war der Wechsel wirklich kein Risiko, keine große Herausforderung. Ich kann mich jetzt auf das Skifahren fokussieren", sagte der Slalom-Kugelgewinner der vergangenen Saison. "Jetzt verstehe ich ein bisschen besser, wie Marcel diese acht Gesamtkugeln in Serie gewonnen hat, wirklich. Mit dem Material jetzt ist das auf einem komplett anderen Planeten als früher. Der Fokus auf die kleinen Sachen ist viel besser."
Er müsse nicht viel sagen, was zu ändern sei, das hätte das Team bereits gesehen, wenn er im Ziel angekommen sei. "Dann besprechen wir das. Und ich brauche jetzt auch nicht zwei Monate auf ein neues Paar Ski warten, das gibt es in zwei Tagen." Die Kommunikation laufe viel über Ferdinand Hirscher, der auch während des Trainingsaufenthaltes in Ushuaia (Argentinien) nahezu täglich mit Unterberger und Hudler in Argentinien Kontakt aufnahm, nachdem er sich daheim die Videos von den Läufen angeschaut hatte. Es funktioniere alles wirklich sehr gut, versicherte der 28-jährige Kristoffersen, der bei Skischuh und Bindung auf altes Material zurückgreift.
Bei all der Zuversicht merkte er dann aber doch an. "Es gibt keine Garantie, dass es hundert Prozent in jedem Lauf, in jedem Rennen funktioniert. Wir sind Menschen, wir machen Fehler. Aber die Möglichkeiten sind viel größer als früher. Ich bin nicht hundertprozentig sicher, dass ich in Sölden gewinne oder auf dem Podest stehe. Aber ich bin hundertprozentig sicher, dass ich um das Podest und um den Sieg mitkämpfen werde in der ganzen Saison."
Angesprochen auf den Gesamtweltcup meinte der Gewinner von 28 Weltcuprennen, dass das nicht so leicht werden wird. "Marco (Odermatt/Anm.) hat 31 Rennen, ich 21. Aber schauen wir. Das Ziel ist, gut Ski zu fahren, schnell Ski zu fahren und dann Rennen zu gewinnen. Wenn du genug gewinnst, ist die Möglichkeit für die große Kugel da. Aber ich glaube, dass man nicht hier stehen und an die Gesamtkugel denken kann. Das ist viel zu früh. Marcel hat das auch nicht getan."
Der größte Druck komme ohnehin von ihm selbst, sagte der Wahl-Salzburger, der in Sölden die Fahnen des Bundeslandes hochhält, das im ÖSV-Team auf dem Rettenbachferner nicht vertreten ist. "Das ist eine Ehre", befand Kristoffersen.