Der Wintersport steht nicht zuletzt wegen des Klimawandels vor massiven Veränderungen. Für viele in dem Geschäft scheint es unausweichlich, dass sich auch der Zeitraum für alpinen Spitzensport nach hinten verschieben wird. "Für mich ist klar, dass der Winter sich nach hinten verlagert hat", sagte etwa Ex-Superstar Marcel Hirscher. "Es wird auch Sölden sicher spannend in der Zukunft: Wie lange hält man diesen Termin noch?", warf ÖSV-Männer-Rennsportleiter Marko Pfeifer ein.
Der Weltcup-Auftakt der Alpinen steigt seit den 1990er-Jahren regelmäßig Ende Oktober mit zwei Riesentorläufen in Sölden. In diesem Jahr ist es am bevorstehenden Wochenende soweit. "Muss es sein, wirklich Ende Oktober ein Rennen zu fahren? Reicht nicht Ende November und warum nicht das letzte Rennen in 2.000 Meter Seehöhe Mitte April, Ende April?", meinte Hirscher bei einem Gespräch mit der APA - Austria Presse Agentur im Rahmen seines DTM-Gastauftritts. "Das hinterfrage ich schon sehr. Auch dieses Überseetraining - ist das wirklich notwendig? Würden wir nicht den Zeitdruck so erhöhen mit einem Rennen um den 26. Oktober, dann hätte keiner diesen Stress."
Hirscher befindet sich damit im Einklang mit der Position des Österreichischen Skiverbandes. "Es wird eine Anpassung der Periodisierung des Trainings-und Rennbetriebes erforderlich sein. Gerade in den Nachwuchsserien sollte das recht einfach umzusetzen sein", sagte erst kürzlich Generalsekretär ChristianScherer der "Tiroler Tageszeitung". Der ÖSV will sich in den relevanten FIS-Gremien genau dafür einsetzen.
Sölden wichtig für Ski-Industrie
Laut Pfeifer habe der Sölden-Termin durchaus einen handfesten Hintergrund. "Es ist für die ganze Skiindustrie, so hört man von überall, sehr wichtig", sagte der Kärntner. Er sprach sinngemäß von einem Startschuss, der öffentlichkeitswirksam signalisiere, man möge wieder "ins Geschäft gehen und Ski kaufen". "Die Frage ist, ob es nicht zwei Wochen später auch gehen würde. Da bist du noch immer relativ früh dran Anfang November, und die zwei Wochen geben dir viel mehr Spatze, dass du das hinbekommst. Wenn man alles zwei Wochen oder so verschieben könnte, wäre schon sehr viel getan für die Zukunft."
Der extrem heiße Sommer 2022 hat in Verbindung mit der Trockenheit den Gletschern in den Alpen stärker als in den meisten anderen Jahren zugesetzt. So kam es zu beschleunigten Abschmelzprozessen, Erdrutschen und dem Verschwinden großer Eismengen. Der Rettenbachferner in den Ötztaler Alpen steht noch vergleichsweise gut da, ist aber in der jüngeren Vergangenheit ebenfalls mehrere Meter pro Jahr zurückgegangen. Der Schmelzwassersee vor dem Gletscher begann sich im Hitzesommer 2015 zu bilden - mittlerweile hat er eine beträchtliche Größe erreicht. Skipisten mussten immer wieder verlegt und adaptiert werden. Nicht von ungefähr plädiert Deutschlands früherer Ski-Held Felix Neureuther für einen Trainingsstopp auf den Gletschern zwischen Juni und September.
Der alpine Skisport steht beim Thema Klimaschutz ohnehin unter verstärkter Beobachtung - auch bei der Frage nach der Beschneiung und wie viel Energie verbraucht wird. Zwar wird wohl nicht jeder kommende Sommer einer sein wie in diesem Jahr, der viele mit Hitze assoziierte Rekorde gebrochen hat. Die Anzahl der Tage mit Niedrigtemperaturen, die in den Monaten vor dem Kernwinter zur Kunstschnee-Produktion benötigt werden, wird aber künftig generell zurückgehen. "Der Druck, der da auferlegt wird, ist ja künstlich generiert, und den könnte man schon ein bisschen rausnehmen", sagte der Gesamtweltcup-Rekordsieger Hirscher, der mit seiner Marke Van Deer heuer als Unternehmer in den Weltcup einsteigt.
Wird künftig bis Ende Mai, Anfang Juni gefahren?
"Es wird sich alles ein bisschen verschieben. Wir können bei uns bis Ende Mai, Anfang Juni hochalpin sehr gut Ski fahren, das müssen wir ausnützen in Zukunft", erklärte Pfeifer. Vor allem beim Nachwuchs müsse es dahingehend ein Umdenken geben, "wenn wir nach wie vor die Nummer eins bleiben wollen". Jugendliche in Schulen mit Ski-Schwerpunkt hätten lange Mitte August mit dem Training auf Schnee angefangen, dies sei mittlerweile aufgrund der Bedingungen im Sommer aber nicht mehr möglich. Von Ende März oder April bis September "ist die schneefreie Pause dann viel zu lange".
Pfeifer forderte die Politik zum Handeln auf, was die Umgestaltung von Unterrichtsplänen und Kalendern betrifft. "Es wird sonst à la longue zu wenig Ski gefahren werden, wenn man das so beibehält, wie jetzt alles abgestimmt ist", schickte der 48-Jährige eine Warnung aus.