Mikaela Shiffrin ist auf den Weltcup-Thron zurückgekehrt. Nach Saisonen mit den Endrängen zwei und vier gewann die US-Skirennläuferin zum vierten Mal den Gesamtweltcup, zog an großen Kugeln mit ihrer Landsfrau Lindsey Vonn gleich und ist Zweitbeste der Wertung hinter der sechsfachen Siegerin Annemarie Moser-Pröll. Für die 27-Jährige ist es der Glanzpunkt eines Winters, in dem sie auch Hass zu spüren bekam, weil sie beim Großereignis nicht wie erwartet abgeliefert hatte.
Möglich machte dies Rang zwei im Super-G beim Finale in Courchevel hinter Ragnhild Mowinckel, damit hat die US-Amerikanern vor den abschließenden zwei Rennen uneinholbare 236 Punkte Vorsprung auf Verfolgerin Petra Vlhova. Von den Österreicherinnen wurde die Steirerin Tamara Tippler als beste Zehnte (+0,93 Sek.). Ramona Siebenhofer (+1,02), Mirjam Puchner (+1,05), Nadine Fest (+1,33) und Magdalena Egger (+1,79) belegten die Ränge 12, 13, 16 und 21.
Die Rückkehr nach Olympia
Von den Olympischen Spielen in China nahm Shiffrin ein schweres Päckchen mit in den Flieger in Richtung Saisonfinish. Nicht in Form von Medaillen schön verpackt im Handgepäck. Denn bei sechs Versuchen war sie sechsmal erfolglos geblieben, hatte sich mit Ausfällen in Riesentorlauf, Slalom und Kombination immer tiefer in die Abwärtsspirale gedreht. Vielmehr war es eine Mischung aus Traurigkeit, Unverständnis und Enttäuschung, die als Ballast auf ihrem Gemüt lastete. In den sozialen Medien war sie für ihr Scheitern verurteilt und beleidigt worden, sie selbst zweifelte plötzlich an allem und stellte sich die sportliche Sinnfrage.
"Es gab viele Momente in dieser Saison, die großartig und wunderbar sind. Aber da gab es auch diese Momente, in denen ich so weit unten war wie noch nie in meiner Karriere - nicht nur was das Skifahren betrifft, sondern auch als Mensch. Ich habe das Gewicht gefühlt, alles ist auf mich zusammengebrochen", erzählte Shiffrin nach dem mit Platz zwei im Super-G beim Saisonfinale in Courchevel vorzeitig vor der slowakischen Titelverteidigerin Petra Vlhova sichergestellten Gesamterfolg.
Das große Kristall sei ihr als Saisonziel noch geblieben, darauf habe sie alles gelegt und den Druck gespürt, sagte die Gewinnerin von drei Olympia-Medaillen (zwei in Gold), elfmal WM-Edelmetall (sechs Titel) und 74 Weltcuprennen, davon fünf in diesem Winter. "Es ist schwierig, alles in einem Tag und einer Kugel zusammenzufassen. Ich wusste, ich habe heute eine gute Möglichkeit für Punkte. Ich musste auf meine Instinkte vertrauen. Ich habe einen Podestplatz, gute Punkte und die Kugel gesichert. Die ganze Saison war ein Auf und Ab und die Abs zählten zu den härtesten Momenten meiner Karriere."
Nach allem, was passiert sei, sei dies nun ein spezieller Moment, sagte die Freundin von Aleksander Aamodt Kilde, der die kleine Kristallkugel in Abfahrt und Super-G errungen hatte. Gemeinsam mit den Trainern und Betreuern habe man alle Kraft in die letzten Saisonrennen gesteckt. "Ich bin stolz, dass ich das erreicht habe und dankbar und freue mich für alle, die so hart daran gearbeitet haben." Da das große Ziel nun erreicht sei, könne sie ohne Druck in den noch ausstehenden Slalom und Riesentorlauf in Meribel antreten und dann gehe es nach Hause.
Shiffrin gewann bereits 2016/17, 2017/18 und 2018/19 den Gesamtweltcup. Abfang Februar 2020 legte sie nach dem Tod ihres Vaters Jeff im Weltcup eine Pause ein und verlor die souveräne Führung an die Italienerin Federica Brignone. Als sie nach sechswöchiger Trauerzeit in Aare zurückkehrte, wurde die Saison ohne Durchführung von Rennen in Schweden und vorzeitig wegen des Ausbruches der Corona-Pandemie abgebrochen. 2020/21 konzentrierte sie sich wegen fehlenden Speedtrainings auf die technischen Bewerbe, wurde in Riesentorläufe und Slalomwertung jeweils Zweite und beendete die Saison auf Platz vier in der Gesamtwertung.
Birgit Egarter/APA