Die alpinen Skifahrer sind bei den Olympischen Winterspielen in Peking mit einer Reihe an Unbekannten konfrontiert. Neben den ganzen Corona-Formalitäten und dem speziellen Kunstschnee sind die Pisten in Yanqing für alle komplettes Neuland. Auf der Abfahrtsstrecke, die aus der Hand des ehemaligen Schweizer Skistars Bernhard Russi stammt, sind ab Donnerstag die Trainings der Männer geplant. „Es wird viel steiler, als alle gedacht haben”, ist der Eidgenosse überzeugt.

Der 73-jährige Russi hat seit den Winterspielen in Calgary 1988 jede olympische Abfahrtsstrecke bis auf eine entworfen. Er hat in Yanqing sieben Jahre damit verbracht, Felsbrocken und Erde verschieben zu lassen, um einen Berghang in eine Weltklasse-Abfahrtsstrecke zu formen, die Olympia und den weltbesten Skisportlern würdig ist. Es werde eine „Herausforderung” für die Athleten, erklärte der Schweizer in einem Reuters-Interview.

Steile Passagen und schnelle Kurven

Seit Peking den Zuschlag für die Winterspiele 2022 erhalten hat, gab es Bedenken und Spekulationen über die Qualität der Piste. „Alle dachten, Peking ist flach und es gibt keine Berge. Das stimmt nicht, es hat alles: steile Passagen, lange, aber auch schnelle Kurven, und es gibt einige Tempo-Abschnitte”, zeigte sich Russi von seinem „Werk” angetan. „Mir persönlich gefällt, dass wir drei, vier wirklich große Sprünge dabei haben.” Der Schweizer ist sich sicher, dass es eine "sehr anspruchsvolle Abfahrt" – mit dem Start in 2.179 und dem Ziel in 1.285 Meter Höhe – werden könnte.

Die Speedfahrer müssen da Russi beim Wort nehmen, schließlich hatte bis zu ihrer Anreise dieser Tage keiner von ihnen die Strecke „real” sehen, geschweige denn fahren können, da die Corona-Pandemie die üblichen Testfahrten verhindert hatte. Da alle Skifahrer über die gleichen Streckenkenntnisse verfügen, die sich bis zur Besichtigung an Ort und Stelle auf Mundpropaganda und einige Drohnenaufnahmen beschränkte, könnte es auch die fairste olympische Abfahrt werden.

Davon zeigte sich jedenfalls der ehemalige „Crazy Canuck” Ken Read gegenüber Reuters überzeugt. „Niemand wird im Training die Beine hochlegen, es hat ja keiner Vorerfahrung. Das wird für alle neu”, so der 66-jährige Kanadier.

Vergleich mit Beaver Creek

Russi meinte, er vergleiche zwar Kurse nicht gern, aber die Strecke in Yanqing erinnere ihn an die „Birds of Prey” in Beaver Creek – eine der anspruchsvollsten Pisten im Weltcup. Beim Entwerfen eines Kurses wolle er die weltbesten Skifahrer auf die Probe stellen. Daher stelle er Sprünge, Technik und Mut in den Vordergrund und nicht das Gleiten, so der Abfahrtsolympiasieger von 1972 in Sapporo.

Davon können sich die Athleten nun auf der 2.950 Meter langen Strecke überzeugen. Russi hat für sie noch einen Tipp parat: „Nicht zu viel nachdenken, offen und positiv bleiben. Es wird eine gute Abfahrt, eine herausfordernde Abfahrt.”