Es war für viele vor den Bildschirmen ein emotionaler Moment, als Sie als Siegerin feststanden. Und doch wirkten Sie erstaunlich "aufgeräumt". Einen Tag danach: Wie haben Sie den Erfolg in Garmisch-Partenkirchen erlebt?
CORNELIA HÜTTER: Ich habe mich selbst ein wenig gewundert. Ich dachte zuerst, dass die letzten zweieinhalb Jahre raufkommen. Und in der Leaderbox habe ich mich neben Fede (Federica Brignone, Anm.) einmal auf den Boden setzen müssen, einfach atmen müssen. Ich war überfordert. Es war schwer, Gedanken zu finden. Es gab extrem viele Eindrücke. Aber es hat mich nicht so aus der Bahn geworfen wie gedacht. Auch wenn es extrem emotional war.
Gibt es dafür eine Erklärung?
CORNELIA HÜTTER: Ich habe mich halt auch entwickelt, bin keine 20 mehr. Das Leben prägt einen. Was ich sagen kann: Ich habe mir geschworen, wenn ich das "Projekt Skisport" noch einmal angehe, dann lasse ich mich nicht mehr so stressen. Nach den Verletzungen habe ich immer gedacht: Du musst immer 100 Prozent geben, alles super exakt machen, dann kannst du dir nicht mehr wehtun. Aber dann ist mir klar geworden: Wenn du dich so verbeißt – dann bist das nicht mehr du! Skifahren hat mir immer Spaß gemacht, bis auf die letzten drei Jahre.
Jetzt ist der Spaß wieder da?
CORNELIA HÜTTER:Ja, auch weil ich mir gesagt habe, dass ich mich nicht mehr in alle Himmelsrichtungen reißen lasse!
Haben Sie die Verletzungen nicht entmutigt?
CORNELIA HÜTTER:Na ja. Die Verletzung in St. Moritz im Dezember, da habe ich mich geärgert, die hätte nicht sein müssen. Was mir aber den Nerv gezogen hat, das war Corona. Wenn man sich einfach selbst nicht mehr kennt, wenn man sich fühlt, als ob man außerhalb des eigenen Körpers wäre, wenn man neurologische Probleme hat, weil da im Gehirn so ein Nebel ist, dann kriegst du richtig Angst. Da hab ich mich gefragt: Geht das wieder weg? Bleibt es? Weil man hört dann doch von denen, die lange damit zu kämpfen hatten.
Und doch sind Sie in Cortina wieder gefahren.
CORNELIA HÜTTER: Ich dachte, die Chance muss ich nützen, um mich für Olympia zu empfehlen, es ging ums Ticket. Dass mich so die Kraft verlassen hat, dass die Oberschenkel die Schwünge nicht so zumachen wollten wie ich, das hab ich ja nicht gewusst.
Eine Woche später haben Sie die Nominierung mit einem dritten Platz und dem Sieg aber eindrucksvoll bestätigt, oder?
CORNELIA HÜTTER: Unser Trainer Florian Scheiber ist mit mir nach St. Anton gefahren, dort war ich bei den Europacup-Abfahrten als Vorläuferin im Einsatz. Da habe ich mir wieder ein gutes Gefühl geholt, das war die beste Entscheidung, weil es davor schon ein Manko war, die ersten Fahrten auf den langen Skiern. Aber als dann die Trainings in Garmisch so gut waren, habe ich mir schon Druck gemacht. Und leider im Rennen den Plan nicht so durchgezogen.
Und jetzt wartet Olympia.
CORNELIA HÜTTER:Und klar ist: Wir sind eine Skination und fahren dorthin, um Medaillen zu holen. Aber alle können gut Ski fahren. Ich selbst war 2014 in Sotschi überfordert, 2018 ging es besser. Jetzt hoffe ich, dass ich meinen Plan durchziehen kann! Wir fliegen am Mittwoch, damit wir Zeit haben, uns um- und auf alles einzustellen. Die Vorfreude ist groß. Ich will das Gerede, was es alles gibt, beiseite lassen und mich auf die Spiele konzentrieren.
Und dazwischen?
CORNELIA HÜTTER: Bin ich zu Hause, in der Wohnung in Kärnten. Da können wir (sie und Freund Christian Walder, Anm.) uns abschotten. Die nötigen PCR-Tests habe ich alle gemacht, die waren alle negativ. Jetzt schau ich, dass ich so wenig Kontakt mit anderen habe wie möglich.
Die Steirerin wird zur Kärntnerin?
CORNELIA HÜTTER: Die Wohnung in Kärnten ist daheim. Im Winter ist es praktischer, weil man aus Graz überallhin noch eineinhalb Stunden mehr fahren muss. Aber Kumberg, das ist und bleibt daheim-daheim. Da habe ich die Familie, die Kühe, die Pferde.
Noch einmal kurz zum Sieg – wie viele Nachrichten sind gekommen?
CORNELIA HÜTTER: Es hat alle Sekunden geläutet, viele haben geschrieben. Einige, über die ich mich sehr gefreut habe. Andere, wo ich an Nici Schmidhofer gedacht habe, die schon nach 2017 gesagt hat, dass man im Erfolg erst sieht, wie viele Schulterklopfer es gibt. Aber die, die mir wichtig sind, die berühren mich mehr. Ich habe dann aber auch das Handy einfach einmal weggelegt, um den Moment zu genießen.
Eine Frage noch: Ihr Papa war oft bei Großereignissen dabei. In China wird er fehlen. Traurig?
CORNELIA HÜTTER: Er war praktisch immer dabei, und ich habe mich immer gefreut, wenn der Fanklub sogar mit Bussen gekommen ist. Ich hoffe, das kommt wieder einmal. Papa war eigentlich immer dabei. Lustigerweise aber bei keinem meiner drei Siege, heuer tut er sich das alles wegen der Corona-Maßnahmen nicht an, es weiß keiner, ob man zuschauen darf oder nicht. Nach China wäre er sowieso nicht gefahren – und, siehe oben, vielleicht ist das ja sogar gut ... Ich hoffe, es stellen sich daheim einige den Wecker und schauen zu.