Dominik Paris weiß, wovon er spricht, wenn er über die Abfahrt in Kitzbühel redet. Schließlich hat der Südtiroler hier schon drei Siege gefeiert (und einen vierten in einem Super-G). Und er ist nicht begeistert. "Ich finde es nicht gut, wenn man die Klassiker verändert", meinte er am Montagabend und sprach damit die Umbauten an, denen die legendäre Streif in diesem Sommer unterzogen wurde.
Umbauten? Richtig gehört. Denn die spektakulärste und schwierigste Abfahrt der Welt - mit Mausefalle, Steilhang, Alte Schneise, Seidlalm, Hausberg. Traverse und Zielschuss - wird sich 2022 ein wenig anders präsentieren. Die berühmte Passage über die Hausbergkante wurde umgestaltet. Warum? „Wir wollen nicht nur Spektakel, wir wollen vor allem auch Sicherheit“, erklärt Rennleiter Mario Weinhandl-Mittermayer. Und deshalb fuhren, wie ohnehin schon länger geplant, die Bagger auf.
Die Änderungen in Worten: Die Passage nach der Hausbergkante wurde breiter gestaltet, die Fahrer müssen nun (in Fahrtrichtung) weiter nach rechts, anstatt direkt in die Traverse zu ziehen. Die Kompression nach der Kante, in der allein 2016 Aksel Svindal, Hannes Reichelt und Georg Streitberger Kreuzbandrisse erlitten hatten, wurde aufgeschüttet. Und das große A-Sicherheitsnetz, in dem so viele Fahrer in den vergangenen Jahren nach Fehlern unsanft landeten, wurde versetzt, um so mehr Platz zu schaffen. Für den Fall der Fälle - also jenen, dass ein Läufer in Schwierigkeiten kommt. Nun sollte ein wenig mehr Platz für "Korrekturen" sein.
Eine alternativlose Änderung, beteuert Hannes Trinkl, Abfahrtsweltmeister 2001 und seit Jahren neben Markus Waldner in der FIS für die schnellen Disziplinen verantwortlich. "Die Fahrer", erklärt der Oberösterreicher, "sind einfach zu gut geworden. Sie mussten von der Hausbergkante weg kaum noch aus der Hocke. Und das hatte zum Ergebnis, dass das Tempo im Zielschuss bis zu 145 km/h betrug. Und das nicht nur kurz, sondern bis zu 300, 400 Meter lang. Und das ist nicht mehr lustig." Der Platz nach der Hausbergkante soll "Fälle wie im Vorjahr jenen von Ryan Cochran-Siegle verhindern", sagt er.
Die Geschichte der Passage ist eine lange, mit vielen Triumphen, aber auch Tragödien. Bis 1961 war die Linie über den Hausberg eher frei wählbar – damals standen aber auch noch Kirschbäume am Hausberg. Dann kamen die Richtungstore - und 2004 die "perfekte Fahrt" von Stephan Eberharter, der so mutig die Hausbergkante nach unten gestochen war, wie keiner vor ihm. Sehr wohl aber versuchten es danach sehr viele, überschätzten sich dabei aber auch. Der Druck in der Kompression wurde durch das neue Material zu hoch, das Tempo zum Zielsprung ebenso.
Trinkl erhofft sich durch die Änderung entscheidende Verbesserungen: "Die Kompression ist zugeschüttet, durch die Richtungsänderung muss man die Kanten g'scheit einsetzen, um in die Traverse zu kommen. So können wir auch die Kante in den Zielschuss hinein zu einem kleinen Sprung machen. Dadurch sollte man eben nicht so schnell zum Zielsprung kommen, denn da konnten wir baulich nichts mehr ändern, wir waren also gezwungen, das Tempo herauszunehmen."
Klar ist damit aber auch: Fritz Strobl, der vor genau 25 Jahren in 1:51,58 Minuten den bis heute gültigen Streckenrekord fuhr, wird wohl in alle Ewigkeiten uneinholbar bleiben. Auf rund 1,5 Sekunden schätzt Weinhandl-Mittermayer den Effekt der Änderungen ein: "Wir haben das in der Vorwoche schon mit Vorläufern getestet." Auf die Frage, ob er von seinem Ex-Teamkollegen Strobl nun ein Getränk bekommt, weil der Streckenrekord nun gesichert sei, sagt Trinkl mit einem kurzen Lachen: "Der wäre ihm sowieso geblieben ..."