Es hat ein wenig den Hauch von Hollywood, ein wenig von Drama am Fuße der Eiger-Nordwand. Und es hat ganz viel von Happy End: Vincent Kriechmayr feierte am Samstag in Wengen seinen zweiten Sieg auf dem berühmten Lauberhorn, der längsten Abfahrt des Winters. Und das, nachdem er nach verhängter Quarantäne aufgrund eines positiven Coronatests erst am Donnerstag ins Berner Oberland anreisen durfte, nur aufgrund einer "Sondergenehmigung" überhaupt starten durfte, weil er beide Trainings auslassen hatte müssen. Und am Ende schnappt er Lokalmatador Beat Feuz dessen vierten Rekordsieg in Wengen weg. Der 30-Jährige siegt 0,34 Sekunden vor Feuz und 0,44 vor dem Italiener Dominik Paris, feiert seinen zweiten Sieg in Wengen nach 2019.
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Es war ein Traumtag am Fuße der gigantischen Bergkulisse – und wie schon in Adelboden war es auch ein Ausflug in eine Parallelwelt: Denn Tausende Zuschauer säumten die Strecke, jubelten am Gegenhang mit Sicht auf den berühmten Hundschopf, Canadian Corner und der Anfahrt zum berüchtigten Brüggli-S den Fahrern zu. Der Helikopter-Verkehr hinauf zur Kleinen Scheidegg erinnerte beinahe an einen Flughafen zur Spitzenzeit. Jeder wollte an diesem Tag dabei sein, schien es. Corona? Scheinbar außerhalb des Berner Oberlandes völlig überschätzt ...
Den Fahrern war es egal, ihr Job auf der 4500 Meter langen Strecke lautet: kämpfen. Das galt besonders für Kriechmayr, dessen Geschichte viel Staub aufwirbelte und manch andere Nation auch Kritik äußern ließ. Kurz zusammengefasst: Am Samstag gab es einen positiven Test beim Oberösterreicher, kurz darauf war er aber schon wieder "negativ". Natürlich musste er aber trotzdem in die behördlich verhängte Quarantäne, die auch erst, wie vorgeschrieben, nach fünf Tagen und durchgehend weiteren negativen Tests als Nachweis aufgehoben wurde. Kriechmayr reist nach Wengen an, fuhr den Super-G und erhielt auch eine "Sondererlaubnis", auch ohne echtes Training in den Abfahrten starten zu dürfen.
Sieg mit "Pizzaschnitte"
Die Stars hatten sich gleich die niedrigen Nummern gesichert, Matthias Mayer ging gleich als erster ins Rennen, wurde dann aber bald um 0,17 Sekunden von Beat Feuz abgefangen, der auf den vierten "Rekordsieg" am Lauberhorn aus war. Dominik Paris kam zwar bis auf ein Zehntel heran, doch das reichte nicht, um Feuz von der Spitze zu verdrängen. Und dann kam Kriechmayr, der vor allem die Schlüsselstelle, das Brüggli-S (oder Kernen-S) genial erwischte. Dank des guten alten Schneepflugs oder der "Pizzaschnitte", wie es nun heißt: Ein kurzer Bremser, um das Tempo für die enge Kurve richtig einzuschätzen – da holte sich der Doppelweltmeister die entscheidende Zeit bzw. den Zug für die Fahrt unter dem Zug weiter Richtung Ziel.
Ab der Zwischenzeit nach dem Hanegg-Schuss, bei dem die Läufer dieses Jahr teilweise über 150 km/h erreichten, war Kriechmayr vorne, diesen Vorsprung ließ er sich nicht mehr nehmen. Im Gegenteil: Im Ziel-S baute er ihn noch einmal aus. Wohl bester Beweis dafür, dass Österreichs "Sportler des Jahres" nicht sonderlich von der Covid-19-Infektion in Mitleidenschaft gezogen war. Denn sonst kann man die kraftraubendste Abfahrt des Jahres nicht so beenden.
"Ich hatte zwar keinen Trainingslauf, aber ich bin oft genug gefahren. Ich wollte schon in der ersten Abfahrt fahren". Er sei mit einer "Jetzt erst recht"-Mentalität ins Rennen gegangen. Und das hat geklappt. "Nur vom Pflug wollte ich nicht abweichen", erklärte er nach seinem zehnten Weltcupsieg. "Es ist was ganz anderes von ganz oben, es hat gut funktioniert."
"Natürlich war es nicht fein, wenn man in Quarantäne ist. Es geht vielen Österreichern gleich, ich verstehe, dass man für mich keine Ausnahme gemacht hat. Viele verpassen viel Wichtiges, auch Wichtigeres als ich hier mit Rennfahren. Aber trotzdem bin ich dankbar. Dass es so aufgeht, damit habe ich nicht rechnen können."
Die Kritik an der Entscheidung, dass er fahren durfte, hatte er nicht mitbekommen. "Ich habe mit den Athleten geredet, die haben alle gesagt, dass sie dafür sind, dass ich fahre. Dominik Paris hat gesagt, er will ja gegen die Besten fahren. Ich freue mich, dass sich die FIS in diesem Fall bewegt hat." Es sei bitter, wenn man als Athlet topfit daheimsitzen müsse, auch wenn er verstehe, dass es keine Ausnahmen der Behörden gebe.
Die Favoriten mit Fehlern
Und schließlich kamen die zwei großen Favoriten: Aleksander Aamodt Kilde und Marco Odermatt, die tags zuvor im Duell die "kurze" Abfahrt beherrscht hatten. Doch an diesem Tag schienen sie im Bestreben, noch eins draufzusetzen, noch mehr Risiko zu nehmen, den Bogen zu überspannen. Beide blieben nicht fehlerfrei, für Odermatt gab es den (trotzdem sensationellen) vierten Platz, Kilde kam auf Rang sieben.
Und damit stand fest: Kriechmayr hatte seinen zweiten Sieg in Wengen. Denn von den Nachfolgenden kam ihm keiner mehr wirklich nahe. Für ihn war es nach einem für seine Verhältnisse trotz bereits drei Podestplätzen etwas "durchwachsenen Winter" wohl besondere Genugtuung, nach der Vorgeschichte diese Woche den zweiten Sieg eingefahren zu haben.
Janka sagt "Thänks Jänks" und Goodbye
Ein ganz besonderer Höhepunkt war der Abschied von Carlo Janka. Der "Iceman", wie er genannt wird, oder "Jänks", wie seine Fans ihn nennen, gab seinen Abschied. Der Körper ließ beim Gesamtweltcupsieger (2010), Weltmeister (2009), Olympiasieger (2010) kein Messen mit der Weltklasse mehr zu, der Abschied sollte auf seiner Lieblingsstrecke erfolgen. Wie fordernd es ist, sah man bei Janka, der beim Silberhornsprung sogar zu Sturz kam, weil die Kraft am Ende war. Im Ziel wurde er trotzdem von Fans und Teamkollegen jubelnd empfangen.