Otmar Striedinger saß im Ziel auf dem "heißen Stuhl" in der "Leader's Box", wie der beheizte Auto-Sportstuhl vor der Sponsorenwand neudeutsch so schön heißt. Und er sah, dass seine Zeit, die er mit der in Gröden für gewöhnlich nicht idealen Startnummer eins gefahrenen Zeit gar nicht schlecht sein dürfte. Erst Bryce Bennett war schneller als der Kärntner, um ganze 0,14 Sekunden. Danach kam aber keiner mehr an die Zeit des 30-Jährigen heran, der letztlich zum fünften Mal in seiner Karriere im Weltcup aufs Podest kam, zum dritten Mal als Zweiter.
Zweifellos ein großer Erfolg. Wenngleich es wieder knapp nicht zum ersten Sieg reichte, fast so wie im Vorjahr, als der Slowene Martin Cater in Val d'Isère noch sensationell schneller gewesen war und so den Premierensieg verhindert hatte. "Ja,ich will schon irgendwo meinen ersten Weltcupsieg feiern", sagte Striedinger danach, "aber ich werde mich niemals über den zweiten Platz beschweren. Den nehme ich gerne." Gut sei seine Fahrt mit Nummer eins gewesen, die ihn selbst auch nicht so gestört habe wie vielleicht manch anderen. "Ich habe mich sogar gefreut, als ich gesehen habe, dass nur noch die 1 übrig war. Ich mag das gern, bin mit der Nummer 1 schon einige gute Rennen gefahren. Da habe ich es wenigstens gleich hinter mir."
Ein wenig Genugtuung war es sicherlich auch für Striedinger, denn die zweitbeste Trainingszeit am Donnerstag hatte nicht gereicht, um sich einen Startplatz im Super-G zu sichern. "Es war sicher keine leichte Entscheidung für die Trainer. Aber ich war sehr grantig", sagte er offen. Die schlechte Laune musste raus. Also schnappte sich Striedinger ein paar Ski und ging, während die anderen Rennen fuhren, selbst Ski fahre, "Auf der Sonnenseite des Skiegebiets. Das war traumhaft, Sonnenskilauf für die Seele", sagte er. Da wurde aus dem Frustfahren schnell "ein Lustfahren. Ich habe alle meine Sorgen wieder verloren."
Wie gut, dass die totale Set-Up-Umstellung - ein Striedinger 2.0 sozusagen - gefruchtet hatte, die er vor dem zweiten Training vorgenommen hatte. "Im ersten war ich vier Sekunden hinten, da haben wir gleich alles umgedreht. Und ich hatte dann das Gefühl, das ich brauche." Offen ist nur, ob der "Stein der Weisen", den er hier gefunden hat, auch für die künftigen Rennen reicht. "Das muss man leider immer neu ausprobieren." Ob ihm aber der zweite Platz auch wieder einen Trumpf im Kampf um einen Super-G-Startplatz in die Hände gibt? "Keine Ahnung, das steht in den Sternen. Aber in denen konnte ich leider noch nie gut lesen."
Nicht so gut lief es für die "Teamleader" - Gröden bleibt für Vincent Kriechmayr und Matthias Mayer in der Abfahrt offenbar weiter ein Buch mit sieben Siegeln. "Das wissen wir aber nicht erst seit heuer", schmunzelte Mattias Mayer, der grübelte: "Ich hab es hier schon mit fast jeder Nummer probiert, heuer mit der höchsten möglichen. Und ich habe mich voll reingehängt, aber es ging nicht mehr." Sein einziger Fehler: "Vor dem obersten Flachstück hab ich nach dem Sprung verschnitten." Da gab es gleich eine Packung, auch unten holte er nicht mehr auf.
Gegrübelt wird aber nicht: "Ich wusste, dass das das schwierigste Rennen wird für mich. Ich grüble da nicht lange, ich hab halt nicht die schnellste Abstimmung erwischt", sagte er. Das Positive: Mayer bleibt in Abfahrt und Super-G die Weltcupführung: "Früher war mir das wurscht, jetzt ist es bedeutend. Aber ich spüre auch den Druck, das alles in Bormio und dann im Jänner verteidigen zu müssen."
Auch Vincent Kriechmayr wusste nicht genau, was passiert ist: "Ich bin nicht so schlecht gefahren, aber wohl nicht 100 Prozent. Und warum ich in der Ciaslat so viel verliere, das weiß ich nicht. Aber im Video wird man es schon sehen. Und ich habe ja hoffentlich noch ein paar Jahre, in denen ich es probieren kann."
Michael Schuen aus St. Cristina