Roswitha Stadlober hat als neue Präsidentin des Österreichischen Skiverbands (ÖSV) bereits eine "erste Amtshandlung" gesetzt und Petra Kronberger von der Frauenbeauftragten zur Leiterin von "Optimal Sports" befördert. Der alpine Ski-Weltcupauftakt in Sölden wurde für Stadlober zum Kennenlern-Marathon. Zuvor hat die 58-Jährige bereits ihren ersten Bürotag in Innsbruck absolviert, die Weiterentwicklung der Strukturreform sind die nächsten Schritte, Visionen hat sie viele.
Mit Videobotschaften in den vergangenen Tagen stellte sich Stadlober bei den Athletinnen und Athleten vor, Freeskier Matej Svancer antwortete gleich einmal lautstark mit einem Weltcupsieg im Big Air. "Der erste Weltcupsieg nach sieben Tagen im Amt ist ein schöner Einstand. Auch heute haben sich die Frauen sehr gut präsentiert", sagte Stadlober am Samstagabend in einer Medienrunde mit österreichischen Journalisten in Sölden.
Zeit zum Einleben in die überraschend und kurzfristig gekommene neue Funktion gibt es nicht, weil der Weltcupwinter bereits Fahrt aufgenommen hat. "Ich fahre Vollgas rein, wenngleich ich mich sehr gut im Sport auskenne. Es ist Neues dabei, es ist ein Lernprozess. Aber ich bin nicht so quer und so frisch gefangen. Ich kann vielleicht noch nicht delfinschwimmen, aber ich kann schon kraulen."
Dreißig Jahre habe Peter Schröcksnadel etwas aufgebaut, das großartig gewesen sei. Und jeder wisse, wie der nunmehrige Ex-Pärsident ticke. "Aber es ist ganz anders jetzt. Ich sitze als Frau da mit dem Team. Es ist jetzt ein Cut. Man muss sich verabschieden von dem, was war. Wir gehen in ein neues Zeitalter." Geht es um Vergleiche mit dem Vorgänger, fällt nie der Name Karl Schmidhofer (100 Tage im Amt/Anm.), sondern stets um Schröcksnadel. Sie sei jetzt "die Frau versus Schröcksnadel", sagte Stadlober.
Dass es scheinbar immer noch nicht so selbstverständlich ist, dass eine Frau an der Spitze eines Sportverbandes steht, zeigten viele Reaktionen, die Stadlober nach der Ernennung bekam. Auch Sätze wie, "das habe man nicht für möglich gehalten", fielen. "Ich habe ja auch immer gesagt, wenn Amerika noch nicht bereit für eine Präsidentin ist, ist es der ÖSV auch nicht", sagte Stadlober.
"Dass es so schnell gehen kann, war auch der Mut der Landespräsidenten, dass sie dem zugestimmt haben, und natürlich mein Mut. Mich haben viele bestärkt, dann war es vielleicht nicht nur Mut, sondern auch gut überlegt." Was Angst gemacht habe? "Vielleicht der Schritt, die erste Frau zu sein."
Die nächsten Schritte der auch weiterhin in Radstadt lebenden Mutter der Langläuferin Teresa Stadlober sind die Weiterentwicklung der Strukturreform, bereits in Lech/Zürs im November wird es die nächste Präsidiumssitzung geben. "Wir werden uns engmaschiger austauschen und die Aufbruchsstimmung vorantreiben." Die vielen Agenden sind auf mehrere Personen aufgeteilt. "Es hat jeder seine Verantwortung zu tragen, es kann nicht nur auf einer Schulter lasten. Das ist auch ein Ansporn."
Den Sportbereich sieht Stadlober gut aufgestellt. Beim Thema Ausbildung gibt es Nachholbedarf. "Wir müssen Aus- und Weiterbildungen anbieten. Wenn jemals gut ausgebildet ist, wirkt sich das vielleicht auch ganz anders aus bei einem Abschlussgespräch. Wenn jemand keinen Kaderstatus hat, oder sich ein Trainer verabschiedet. Da muss man sich in die Augen schauen können. Dass jemand nicht in Frust gehen muss, sondern dass wir diese als Multiplikatoren weiterhin im ÖSV haben. Das ist eine Vision von mir. Das ist das Menschliche, das man da hineinbringen kann."
Ebenso eine Vision ist das Thema Nachhaltigkeit und mit den Alpinski-Weltmeisterschaften 2025 in Saalbach-Hinterglemm ein "grünes Event". Der ÖSV sei schon öfter Vorreiter gewesen, könnte dies wieder schaffen. Mehr Frauen in sportlichen Leitungspositionen sei ebenso ein Ziel wie noch größerer sportlicher Erfolg, die Erhöhung der Mitgliederzahlen, überregionaler zu denken und sich mit anderen Alpenländern auszutauschen.
Denkbar ist das beispielsweise in dem aus der Mee-Too-Thematik entstandenen Konzept "Optimal Sports", das die Bereiche Persönlichkeitsstärkung, Gesundheitsentwicklung, Ressourcenbewusstsein und künftig auch die Sportpsychologie abdeckt. Auch den Bereich Nachwuchs und die Wertschätzung der Vereine will Stadlober anpacken. Noch habe sie keine Lösung, aber es gäbe Möglichkeiten wie Verschränkungen in den Bezirken und das Aufteilen der Trainings. "Wir müssen offener denken und nicht nur in der eigenen Struktur im Sinne des Kirchturms."
Der neue Präsident des Internationalen Skiverbands (FIS), Johan Eliasch, hat ebenfalls viele Ideen, strebt u.a. die zentrale Vermarktung an. Stadlober will sich Entwicklungen gegenüber nicht verschließen. "Wir sind offen für Weiterentwicklung, aber man muss sich die Rahmenbedingungen genau anschauen. Die Markenrechte sind Eigentum, die geben wir sicher nicht aus der Hand, aber die Marketingrechte kann man sich natürlich anschauen. Aber wir müssen auf unsere Vertragspartner schauen. Ganz so einfach wird das natürlich nicht werden."
Schon im Februar wartet mit den Olympischen Spielen in Peking das erste Großereignis auf Stadlober, das wegen der Corona-Pandemie unter strengen Regeln abgehalten wird. "Das wird für uns alle eine mentale Herausforderung werden. Wir können nur versuchen, uns bestmöglich vorzubereiten und viele Informationen zu bekommen, damit wir uns auf die Situation einstellen können."
Nur geimpfte Athletinnen und Athleten werden mitgenommen, die dreiwöchige Quarantäne in China ist wegen der Umstände kein Thema für den ÖSV. "Das ist für mich nicht vorstellbar", erläuterte Stadlober. Noch sind nicht alle potenziellen Teilnehmer voll immunisiert. Zum Impfen verpflichten könne man niemanden, das sei die Entscheidung eines jeden selbst. Im ÖSV gäbe es ein paar, bei denen nach einer Erstimpfung alte Krankheiten wie Migräne zurückkamen, und die daher die zweite Dosis noch nicht bekamen. Das seien Sorgen, die sie beschäftigen, sagte Stadlober.