Sie sind ein Phänomen, die Norweger. Und ein Kreuzbandriss ist für sie schlimmstenfalls ein Umweg auf dem Weg zum Ziel, Ansporn, noch besser zu werden. So auch für Lucas Pinheiro Braathen. Der Norweger hatte im Vorjahr in Sölden alle verblüfft, als er gleich das erste Rennen der Saison für sich entschieden hatte. Beim brutalen Rennen in Adelboden, bei dem einige Verletzte zu beklagen waren, erlitt auch das Bewegungstalent aus Norwegen einen Kreuzbandriss. „Den“, erklärte er, „hatte ich in meinem Zehn-Jahres-Plan nicht einkalkuliert. Den musste ich also ein wenig aktualisieren.“

Doch das musste er auch schon im Vorjahr, der erste Weltcupsieg in Sölden war in der Planung nämlich noch gar nicht vorgesehen. „Ich habe aus der Verletzung gelernt. Und ich weiß, dass ich im Slalom und Riesentorlauf besser werden muss, der Gesamtweltcup ist dann erst ein langfristiges Ziel. Für diese Saison stehen aber die technischen Disziplinen klar im Vordergrund.“

Braathen, dessen Mutter Brasilianerin ist und der er auch den zweiten Vornamen „Pinheiro“ zu verdanken hat, bleibt trotzdem ein ungewöhnlicher Skifahrer, der sich auch kein Blatt vor den Mund nimmt. „Das habe ich von meinem Vater“, klärt er auf, „den kümmert auch nicht, was andere sagen. Er tut, was er will. Ich habe daraus auch für mich viel gelernt, ich mache nicht, was andere von mir erwarten oder selbst machen würden“, erklärt er und bekräftigt: „Ich kann einfach besser und gut schlafen, wenn ich zu 100 Prozent das mache, was mir guttut. Auch, wenn das nicht jeder mag.“

Der Skisport, sagt er, wäre für seine persönliche Entwicklung enorm wichtig gewesen. „Ich kam sehr spät zum Skisport – und ich war sehr schlecht. Aber ich wurde von meinem gesamten Umfeld willkommen geheißen. Als Freund, nicht als schlechter Skifahrer. Das war der Grund, warum ich wiederkam, warum ich weiterfuhr“, erzählt er aus seiner Jugend.

Und genau diese Einstellung will er unbedingt weitergeben und tut das auch bereits mit eigenen „Braathen Sommercamps“: „Es geht darum, neue Kulturen und Freunde kennenzulernen, in meinen Camps fokussiere ich mich genau auf diese Dinge; auf neue Kulturen, nicht auf Zeiten und Bestzeiten.“ Darin will Braathen Vorbild sein, er selbst hatte in seiner Jugend auch ein Vorbild: „Ted Ligety. Er hat den Sport auf einen neuen Level gebracht. Ich habe viel gelernt daraus. Aber so geht das auch im Leben: Man versucht, etwas zu nehmen, was die Besten machen und macht es dann selbst.“

Er selbst wäre auch gerne Vorbild – und sieht sich nach der Verletzung auf bestem Weg dazu, eventuell schon in Sölden. Denn: „Ich fahre kein Rennen, das ich nicht gewinnen kann. Also werde ich mein Bestes versuchen, auch wenn wir im Sommertraining nicht immer ideale Wetterbedingungen vorgefunden haben.“