Wie sehen Sie ihre erste WM in der Funktion als Sportdirektor?
Toni Giger: Da gibt es eine Innen- und eine Außensicht. Nach außen wird man immer vorsichtig sein, aber im Grunde erhofft man sich in jeder Disziplin Medaillen, sucht Wege, sie möglich zu machen. Nach außen waren wir nach den heurigen Ergebnissen defensiv – aber das waren wir immer.

Sie sind also nicht überrascht?
Toni Giger: Ich hab’ sogar die wahnwitzige Wette gemacht, dass wir im RTL bei Damen und Herren eine Medaille machen – und gegen einen Betreuer eine Flasche Champagner gewonnen. Da sind wie zusammengesessen und alle haben gesagt: Das wird nichts im RTL. Aber wir müssen überlegen, was wir tun können damit es geht! Wenn man das nicht so sieht, braucht man nicht anzutreten.

Wie lautet also Ihr Fazit?
Toni Giger: Es war uns wichtig, dass die neue Struktur gut funktioniert hat. Die haben wie im Frühjahr gar nicht offensiv kommuniziert. Denn: Patrick Riml ist nun „Leiter Hochleistungssport Alpin“, damit der Chef von Andreas Puelacher und Christian Mitter. Und Jürgen Kriechbaum ist „Leiter Entwicklung Alpin“.

Warum diese Positionen?
Toni Giger: Weil wir riesige Herausforderungen zu bewältigen haben. Uns fehlen etwa Sportstätten. Oder der Riesentorlauf, der muss ja trotz der zwei Medaillen wieder Basisdisziplin werden. Die WM war Nagelprobe.

Warum?
Toni Giger: Weil du da organisatorisch alles auf einmal brauchst. Und das hat super funktioniert. Wir waren ja nicht die Favoriten für die Nationenwertung, das waren die Schweizer – aber unsere neue Struktur hat beigetragen, dass wir nun vorne sind. Gut, Glück bauchst du immer. Aber wir haben eine super Stimmung, haben gezeigt, dass wir ein Team sind.

War das früher anders?
Toni Giger: Peter Schröcksnadel hat ein Projekt angeregt – wir wollen mehr Mannschaft sein, haben dazu auch Seminare mit Martina Leibovici-Mühlberger gehabt. Eine Expertin, die mich sehr beeindruckt hat. Uns war nicht bewusst, dass wir darauf mehr Wert legen sollten.

Worauf genau?
Toni Giger: Die Idee ist einfach: Eine starke Persönlichkeit ist in einem starken Team noch besser aufgehoben, als als Einzelkämpfer. Wir sind jetzt ein Team für Österreich, Damen und Herren. Und passenden Typen dafür, wie Matthias Mayer.

Der was tut?
Toni Giger: In Kitzbühel haben Vincent Kriechmayr und er vom Preisgeld eine große Flasche Bordeaux gekauft – und das Team unterschreiben lassen, die in 20 Jahren zusammen zu öffnen und trinken. Dieser Spirit überträgt sich.

Dann gibt es aber Gerüchte, dass der ÖSV wieder eine „Geheimwaffe“ hat ...
Toni Giger: Sagen wir so: Wir sind zufrieden (schmunzelt). Was es ist, darf man nicht sagen. Aber Edi Unterberger (Ex-Servicemann von Marcel Hirscher, Anm.) hatte da schon eine Idee ... Ihm ist was eingefallen, es braucht dann auch jemanden der das zeichnet, das mache ich ganz gern. Und dann jemand, der es fertigt. Aber man muss Edi wirklich gratulieren, es ist ein Wahnsinn, wie er tüftelt.

Sie wechseln fast direkt zur nordischen WM. Schwierig?
Toni Giger: Nein, parallel gab es ja auch die Biathlon-WM, da hatte ich auch täglich Kontakt. Im Moment macht es einfach Spaß. Ich habe in den zehn Jahren, seit ich die Entwicklung leite, ja viel gelernt von den Nordischen, da haben die Alpinen profitiert.

Was freut mehr: Dass Kathi Liensberger nach ihren Problemen vor einem Jahr Doppel-Gold holt oder die Medaillen von Lisa Hauser?
Toni Giger: Als Trainer hast du immer im Kopf, was bei einer Entwicklung entstehen kann. Man ist daher nie verblüfft, wein ein Plan aufgeht. Wir analysieren, setzen Maßnahmen, um das Potenzial auszuschöpfen und hoffen, dass es aufgeht. Grübeln tut man eher, wenn es nicht aufgeht.

Aber diese Erfolgsserie ist ja doch beeindruckend. Habt ihr die wirklich so erwartet?
Toni Giger: Wir sind im Frühjahr zusammengesessen, haben evaluiert, haben geschaut, wo das meiste Potenzial ist. Und dann setzt man Maßnahmen und weiß, wenn man die richtigen trifft, dann geht es aufs Podest. Weil so weit war sie ja nicht weg davon. Das ist die Denkweise, die ich auch von meinen Mitarbeitern einfordere. Das Schubladisieren – so unter dem Motto: „Der oder die ist ja eh nur gut für die Plätze fünf bis zehn“ – das brauchen wir nicht. Alle Sportler haben Potenzial, bei manchen ist es nur noch nicht aktiviert. Also: Anlaysieren, Maßnahmen treffen und schauen, dass man es hinbringt.

Was kann man aus Cortina zu den Nordischen mitnehmen?
Toni Giger: Ich habe ihnen schon gesagt: Ich nehme den Spirit aus Cortina mit. Wir haben ein starkes Team, wir werden die Struktur mitnehmen hoffen, dass wir Erfolg haben. Unser Präsident sagt vor der nordischen WM immer: zwei bis vier Medaillen. Das ist also das Ziel. Aber du musst halt jede einzelne Medaille erst machen.

Der beste Skispringer der Welt  an Weltcupsiegen gemessen - wird fehlen. Wo geht die Reise für Gregor Schlierenzauer hin?
Toni Giger:
Ich glaube, dass es für ihn eine schwierige Situation ist. Aber natürlich hat er die Möglichkeit, wieder zurückzukommen. Wir haben das bei vielen großen Sportlern gesehen, dass sie ein Tief haben, das lange dauert – Eberharter, Klammer. Aber Gregor ist ein großartiger Sportler. Es wird an ihm liegen, die Motivation zu finden, noch einen Anlauf zu nehmen. Das ist der Punkt. Das Zeug dazu hat er, das hat er bewiesen.