Ski-Italien hatte kurz vor WM-Beginn noch riesige Erwartungen und dank Dominik Paris, Sofia Goggia, Federica Brignone und Marta Bassino gleich mehrere Saison-Dominatoren aufzubieten. Das Ziel von Verbandschef Flavio Roda von "mehr als drei Medaillen" ist aber wohl illusorisch.
Schon die Speed-Rennen in der ersten WM-Woche waren für den italienischen Wintersportverband FISI kein gutes Omen, obwohl Italiens Herren die für viele neue Speed-Strecke Vertigine besser kannten als der Rest der Konkurrenz. Der Kitzbühel-Dritte Paris blieb in Abfahrt (4.) und Super-G (5.) knapp hinter den Medaillenrängen. Dabei hatte der 31-jährige Südtiroler ein Jahr nach einem Kreuzbandriss sogar die WM-Generalprobe in Garmisch-Partenkirchen gewonnen und damit die Medaillen-Erwartungen nochmals höhergeschraubt.
In Garmisch hatte kurz davor freilich das WM-Drama für Italiens Damen seinen Anfang genommen. Mit Goggia verletzte sich dort die Gewinnerin der letzten vier Abfahrten vor den Titelkämpfen und überlegen Führende in der Disziplinwertung schwer. Wie zum Hohn zog sich die 28-jährige Draufgängerin aus Bergamo ihre Knieverletzung aber nicht in einem Rennen, sondern nach der Absage des Super-G beim Abrutschen auf einer Nebenpiste zu.
Das Schock-Aus für die hoch favorisierte Seriensiegerin des Winters schlug sich auf bei ihren Teamkolleginnen offenbar schwer auf das Gemüt. Brignone etwa, im Weltcup seit zwei Saisonen in Kombis praktisch unschlagbar, führte auch bei der WM nach dem Super-G. Im Slalom schied die Weltcup-Gesamtsiegerin dann aber aus. Elena Curtoni wurde zwar Gesamt-Vierte, war zeitmäßig aber Lichtjahre weg von Bronze. Tags darauf zog sich im Mixed-Teambewerb mit Lara Della Mea auch noch ein Mitglied des italienischen Bronze-Teams von 2019 einen Kreuzbandriss zu.
Der heftigste Tiefschlag für die WM-Gastgeber kam im Riesentorlauf der Frauen. Bassino, im Weltcup Gewinnerin von vier der bisher sechs Saison-Riesenslaloms (in einem weiteren schied sie überlegen führend aus), wurde trotz ihres unerwarteten Gold-Triumphes im Parallelbewerb nur 13. Die zweifache Saison-Zweite Brignone scheiterte überhaupt schon im ersten Durchgang.
"Es ist so, wie es ist", kommentierte Bassino ihre Enttäuschung knapp. Die Weltcup-Gesamt- und RTL-Disziplinensiegerin Brignone gab sich ebenfalls zerknirscht. "Es ist wirklich nicht so gelaufen wie erhofft. So ist der Sport", sagte sie und entschuldigte sich. "Es tut mir leid, dass ich für mein Land kein erhofftes Ergebnis erzielt habe", meinte die 30-Jährige und zeigte Größe: "Ich werde versuchen, besser zu werden. Als Person und als Athletin."
Goggia hatte sich trotz ihres Seelenschmerzes nach Cortina begeben, um die Daumen zu drücken. Letztlich musste die Olympiasiegerin aber mehr trösten statt gratulieren zu dürfen. "Leider haben meine Teamkolleginnen nicht ihre beste Leistung abgerufen", gestand Goggia und empfahl ihnen und sich selbst: "Man muss die Gegenwart so akzeptieren, wie sie ist, und nach vorne schauen."
Wenn also nicht ein Luca De Aliprandini im Herren-Riesentorlauf bzw. Irene Curtoni und Chiara Costazza sowie Alex Vinatzer oder gar Oldies wie Manfred Mölgg (38) oder Giuliano Razzoli (36) in den Slaloms noch für Sensationen sorgen, bliebe die Medaille im ungeliebten Parallelbewerb die einzige WM-Beute für Italien. Die glänzt zwar in Gold, aber selbst die musste sich Bassino mit der an sich klar schnelleren Österreicherin Katharina Liensberger teilen.
Parallel-Gold wird mancherorts in Italien offenbar ohnehin nur als "Trostpreis" bewertet. Bassino wisse genau, dass es ein Gold zweiter Klasse sei, weil das Parallelrennen ein Pausenfüller sowie irregulär gewesen sei, schrieb etwa die Tageszeitung "Dolomiten" und machte Bassino wegen deren überzeugender Weltcup-Vorstellung zur "haushohen Favoritin" im Riesentorlauf. Eine ganze Nation schaue auf sie, hieß es. Das Ende ist bekannt.