"Jetzt sind wir schon nicht umsonst hergefahren. Es wird doch ein großer Aufwand betrieben, und man möchte irgendwie was zurückgeben." Katharina Liensberger traut Christian Mitter noch einiges zu: "Sie ist irgendwie auf einer Mission, habe ich den Eindruck."
In Super-G, Abfahrt und Kombination hatte Mitters Truppe stets mehr oder weniger knapp Edelmetall verpasst, am Dienstag klappte es erstmals. Für die ÖSV-Damen war es die erste WM-Medaille seit Stephanie Veniers Silber in der Abfahrt in St. Moritz am 12. Februar 2017. "Vielleicht kriegen wir da ein bisschen Ruhe oder Sicherheit, dass der Weg, den wir gehen, schon sehr gut ist. Das war halt schon ein Rennen, wo es um Speed gegangen ist", zeigte sich Mitter zufrieden. "Jetzt kann man es endlich jedem in der Öffentlichkeit, der sich nicht so auskennt, auch erklären mit der Goldmedaille."
Keine Missstimmung erzeugt
Dass davor in Cortina nur die Männer die Medaillen gemacht hatten, und zwar gleich dreimal Gold, habe intern keine Missstimmung erzeugt. "Das nimmt schon einen Druck weg. Weil wenn die Herren gut fahren, seid ihr mit anderen Sachen beschäftigt", sagte er in Richtung der versammelten Journalisten und lachte. Es sei ihm "lieber, wenn wir schon keine machen, dass wenigstens die Herren alles abräumen. So bin ich auch in Norwegen beruflich aufgewachsen. Das hat uns auch stark gemacht, und ich hoffe, dass wir das in Zukunft beim ÖSV zusammenbringen."
Publizistisch waren, für den Fall der prolongierten Serie ohne Medaillen, teilweise schon die Messer gewetzt worden. Mitter halte das aus, betonte er: "Deppert ausschauen tue ich sowieso. Mit dem muss ich leben. Wenn man sich über das Gedanken macht, darf man sich nicht in die Öffentlichkeit stellen." Auch für die Sportlerinnen gelte dies, denn sie "präsentieren ihre Arbeit vor Hunderttausenden Leuten. Mit dem Problem darf man sich nicht beschäftigen."
Nachhaltige Lösung
Auf Liensberger hält der ÖSV große Stücke. Vor der vergangenen Saison bemühte sich Sportdirektor Anton Giger im Streit um ihre Ausrüsterfirmen intensiv um eine nachhaltige Lösung, die schließlich auch zustande kam. Liensberger hätte eigentlich ab dem Weltcup-Winter 2019/20 mit Kästle-Ski statt Rossignol und Lange-Schuhen fahren wollen, dies scheiterte aber am fehlenden Schuhmaterial innerhalb des Austria Ski Pool. Am Dienstag bescherte die schnelle Intervention Gigers Liensberger eine Weltmeisterin-Siegerehrung - gemeinsam mit Marta Bassino stand sie ganz oben.
"Sie trainiert zielstrebig, sie ist mental gut drauf, und jetzt ist sie Weltmeisterin. Das ist schon noch einmal ein Meilenstein in einer Karriere, egal was nachher oder vorher kommt. Das soll sie jetzt mitnehmen und darauf aufbauen", befand Mitter. Und ihre beste Disziplin kommt noch. Der Steirer hatte gehofft, dass die Vorarlbergerin vor dem Slalom am Samstag schon eine Medaille macht, "damit ein bisschen ein Druck abfällt. Das hat sie jetzt, jetzt kann sie im Slalom Vollgas geben."
Mit Herz Ski gefahren
Liensberger freute sich vor allem über ihre Leistung und war stolz darauf. "Ich bin am Schluss auf dem blauen Kurs gefahren und man hat gewusst, der ist nicht einfach", betonte die 23-Jährige. "Ich bin mit Herz Ski gefahren, so wie es der Präsident immer gesagt hat." ÖSV-Boss Peter Schröcksnadel stellte sich neben ihrem Freund Philipp denn auch als erster telefonischer Gratulant ein.
Sie bedankte sich beim ganzen Team und hob neben ihrem Herzblatt ihren Konditionstrainer Toni Beretzki, Servicemann Raphael Hudler und Mentaltrainer Stefan Prusina hervor. Der Ort ihres bisher größten Karriereerfolgs ist ein spezieller: "Cortina ist irgendwie meine Heimat, mein Opa ist von hier gekommen", sagte Liensberger, die für den ersten WM-Titel für Vorarlberg seit Patrick Ortlieb 1996 in der Sierra Nevada verantwortlich zeichnete. Obwohl ihr Großvater nicht mehr am Leben sei, gebe er ihr Kraft, meinte sie. Die wird sie bei ihrem dichten Programm - mit noch drei WM-Einsätzen - auch brauchen.